Es war keine Sternstunde der Schweizer Aussenpolitik. Der Auftritt unseres BundesprĂ€sidenten Alain Berset als Vorsitzender einer offenen Diskussion ĂŒber den «Schutz der Zivilbevölkerung in Konfliktgebieten» verlief enttĂ€uschend. Es wurde denn auch nichts, nicht einmal eine Resolution, beschlossen.

Die Durchforstung der Rede-Protokolle von rund achtzig LĂ€ndervertretungen zeigt vor allem viele schon oft gehörte PositionsbezĂŒge zum Ukraine-Konflikt, zu Gender-Fragen, Forderungen zum Schutz von SpitĂ€lern, der Wasser- und Stromversorgung in Kriegsgebieten oder nach einer besseren Koordination von Massnahmen.

Der Ruf nach einer gerichtlichen Verfolgung von Kriegsverbrechen aller Art inklusive der Verhinderung von Nahrungsmittelhilfen sowie nach höheren Finanzhilfen fĂŒr die armen LĂ€nder und Ähnliches sind ebenfalls lĂ€ngst bekannt. Dass das internationale Menschenrecht in Kriegszeiten kaum beachtet und Zivilisten zu wenig geschĂŒtzt werden, wie Uno-GeneralsekretĂ€r AntĂłnio Guterres festhielt, ist nicht neu. Auch die AusfĂŒhrungen von Mirjana Spoljaric Egger, der PrĂ€sidentin vom Internationalen Roten Kreuz, waren gut gemeint, aber die Forderung, dass die Kriegsparteien keine schweren Waffen einsetzen und die Grundversorgung der Zivilbevölkerung zu gewĂ€hrleisten hĂ€tten, ist leider weitgehend Wunschdenken.

BundesprĂ€sident Berset, der die Sitzung leitete, blieb ebenfalls in GemeinplĂ€tzen stecken: Die Schweiz respektiere das internationale humanitĂ€re Recht. Er fĂŒhle sich als Vertreter des Depositarstaates der Genfer Konvention und des Hauptsitzes des Roten Kreuzes besonders mit dem humanitĂ€ren Recht verbunden. Dieses verpflichte alle Parteien, uneingeschrĂ€nkt die Genfer Konvention einzuhalten. Kriege seien die HauptgrĂŒnde fĂŒr Hunger, und sie fĂŒhrten zu Nahrungsmittelmangel, kurz-, mittel- und langfristig, direkt und indirekt. Mehr Leute denn je, im letzten Jahr 258 Millionen, wĂŒrden unter Nahrungsmittelmangel leiden. Das sei dreissigmal die Bevölkerung von New York, und zwei Drittel dieser Leute lebten in Konfliktzonen.

Ressourcenmangel könnten von der einen in andere Regionen ĂŒberspringen, wie der Ukraine-Krieg zeige, der die Nahrungsmittelpreise weltweit verteuere. Er begrĂŒsse deshalb die Schwarzes-Meer-, die Black-Sea-Initiative. Er erinnerte an die Resolution 2417 aus dem Jahr 2018, die Konflikte als Ursache von Nahrungsmittelnot klar aufzeige. Die Uno mĂŒsse die Durchsetzung dieser Resolution energischer einfordern. Alle beteiligten Parteien mĂŒssten rechtswidrige Angriffe – auch auf lebenswichtige Ressourcen – stoppen.

Die Anstrengungen mĂŒssten verdoppelt werden, damit alle Menschen vollen, raschen und sicheren ungehinderten Zugang zu humanitĂ€rer Hilfe hĂ€tten. Die Frauen mĂŒssten bei allen Prozessen zum Schutz der Zivilbevölkerung vollstĂ€ndig einbezogen werden. Wie der GeneralsekretĂ€r schon ausgefĂŒhrt habe, sei der Schutz der Zivilgesellschaft insbesondere dort, wo sich die Uno-Friedensmission zurĂŒckziehe, von grosser Dringlichkeit. Die Respektierung der internationalen humanitĂ€ren und der Menschenrechte seien zentral.

FĂŒr eine solche «Botschaft» reiste unser BundesprĂ€sident inklusive Entourage also nach New York. Die Antwort Russlands auf Bersets Sticheleien folgte postwendend.

Wassili Nebensja, der russische Uno-Botschafter, gibt den internationalen Sanktionen die Schuld fĂŒr die Nahrungsmittelknappheit. Heute seien Terroristen und Extremisten wie in der Sahelzone oder in Afghanistan die grösste Gefahr. Die Notlage in Syrien sei weitgehend eine Folge der US- und EU-Sanktionen. Der Hunger werde vom Westen weltweit als Waffe eingesetzt. Er behauptete auch, dass die Ă€rmsten LĂ€nder weniger als 3 Prozent aller Getreideausfuhren aus der Ukraine erhielten. In den letzten zehn Monaten seit Bestehen des Black-Sea-Getreide-Abkommens seien nur 600.000 Tonnen Getreide mit 21 Schiffen von ukrainischen HĂ€fen transportiert worden. Kiew und seine westlichen BĂŒndnispartner blockierten die Nahrungsmitteltransporte und machten andere (Russland) dafĂŒr verantwortlich.

Berset hat nicht einmal widersprochen.