Seit August 2021 ist der israelisch-schweizerische Schauspieler Yan Balistoy beim Zürcher Theater am Neumarkt angestellt. Doch er darf nur bei der Hälfte der Inszenierungen mitspielen. Denn eine libanesische Kollegin, die schon länger zum Ensemble gehört, will grundsätzlich nicht zusammen mit einem Israeli auftreten. Angeblich fürchtet sie sich vor Repressalien in ihrer Heimat.

Das Theater hat deshalb entschieden, die Besetzung der Stücke so aufzuteilen, dass die Libanesin und der Israeli sich auf der Bühne nie begegnen.

Von aussen ist der Konflikt schwer zu beurteilen, den Yan Balistoy öffentlich gemacht hat. Zumal der Schauspieler auch eine Klage gegen das Theater eingereicht hat. Wenn die Anwälte übernehmen, ist eine offene Debatte kaum mehr möglich. Die Akteure halten sich bedeckt.

Dass im Libanon mit Ungemach rechnen muss, wer sich mit Israelis einlässt, ist eine Tatsache. Dies musste kürzlich die libanesische Journalistin Layal Alekhtiar erfahren, welche einen israelischen Armee-Sprecher interviewte. Die Terror-Gruppe Hisbollah denunzierte Alekhtiar bei einem libanesischen Militärgericht. Die mutige Journalistin liess sich nicht beirren. Vorläufig reist sie aber zur Sicherheit nicht mehr in ihre Heimat.

Ob solche Drohungen auch gegen eine Schauspielerin in der Schweiz gelten, lässt sich kaum objektivieren. Doch wenn die Frau solche Befürchtungen geltend gemacht hat, steht die Leitung des Theaters vor einem Dilemma, um das sie fürwahr nicht zu beneiden ist.

Der Entscheid, sich dem antisemitischen Diktat von Terroristen zu beugen, mag nachvollziehbar sein. Feig ist er trotzdem. Vor allem entzaubert er den Mythos eines geschichtsträchtigen Hauses.

Im Neumarkt verkehrten einst Trotzki und Lenin, hier wurde 1921 die kommunistische Partei der Schweiz gegründet, hier veranstalteten Schwulen-Vereinigungen ihre Treffen zu Zeiten, in denen es noch Mut brauchte, sich als Homosexueller zu outen. Hier entstand 1966 ein Theater, das Rebellen wie Václav Havel oder Peter Handke inszenierte.

Das Theater am Neumarkt lebt vom Ruf des Unbequemen, der auch mal etwas wagt, wo andere zurückschrecken. Doch wenn es ernst wird, bleibt von diesem Nimbus nur noch Schall und Rauch.