Der russische Rubel hat seit August ein Viertel seines Wertes verloren. Nur unmittelbar im Monat nach dem Angriff auf die Ukraine war die Währung schon mal schwächer. Und da sich das seit Tagen rumspricht, entlockt es inzwischen auch denjenigen ein Triumphgeschrei, die sich normalerweise mit Kursschwankungen von Währungen nicht so auskennen. Die Meldung schafft es jedenfalls auch bis ins ZDF, schliesslich sei sie ja ein Indiz, dass auch Russland Schwäche zeige.

Wirklich? Es stimmt: Russlands Wirtschaft läuft nicht wie geölt. Die Inflation ist höher als in der Euro-Zone, den USA und China, was sich in der Abwertung des Rubels niederschlägt. Dazu kommen die Sanktionen, die beispielsweise dazu führen, dass der Kreml beim Ölverkauf hohe Rabatte gewähren muss. Die ausgefallenen Gaslieferungen nach Europa und die fehlenden Einnahmen daraus hinterlassen ebenfalls ein Loch in der Haushaltskasse. Aktuell haben die USA neue Sanktionen gegen die russische Gazprombank verhängt, über die bis zuletzt noch Zahlungen für Energieexporte liefen. Jetzt hängen die Rechnungen in der Luft, was dem Rubel kurzfristig einen weiteren Kick nach unten versetzt hat. Wahrscheinlich muss die Zentralbank ihren sowieso schon üppigen Leitzins noch einmal erhöhen. Aber ist der Rubel-Kurs Russlands Kernproblem?

Wer sich im Land umhört, trifft Russinnen und Russen, die sich gerade in einer goldenen Ära wähnen. Sie verdienen mehr als jemals zuvor, weil die Industrie Rekordgehälter zahlt. Sie leidet unter Arbeitskräftemangel und muss mit Geld um Personal buhlen. Der kriegs- und demografiebedingte Arbeitskräftemangel ist weitaus gravierender als der schwankende Rubel-Kurs. Er führt dazu, dass sowohl bei der Rekrutierung von Soldaten wie auch bei Arbeitskräften für die Rüstungsindustrie nicht alles so läuft, wie sich die Strategen in Moskau das wünschen. Unterm Strich aber werden weder eine wackliger Rubel-Kurs noch der Arbeitskräftemangel den Kriegsverlauf kurzfristig beeinflussen. Für Triumphgeheul ist es also zu früh.