Die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock muss sich mit einem handfesten Skandal in ihrem Haus herumschlagen. Es geht um die laxe Vergabe von Visa vor allem für Menschen aus Afghanistan, die dazu geführt haben soll, dass sich Deutschland potenzielle Terroristen ins Land geholt hat.

Der Hintergrund: Die Machtübernahme der Taliban am 15. August 2021 in Kabul hatte zu einem grossangelegten Bundesaufnahmeprogramm für afghanische Hilfskräfte geführt. 34.000 Flüchtlinge wurden aufgenommen, viele besassen keine oder nur offensichtlich gefälschte Dokumente. Unter ihnen befanden sich auch solche, die nach Erkenntnissen von Bundeswehr und Militärischem Abschirmdienst zu sogenannten Gefährdern zählten.

Im Kern ging es Baerbock darum, die Einreisen aus Afghanistan und den Familiennachzug von Migranten insgesamt zu erleichtern und Sicherheitsbedenken hintanzustellen. In einer schriftlichen Weisung des Ministeriums heisst es: «Der formelhafte Griff zu den bewährten Instrumenten wie der Urkundenüberprüfung ist nicht durchgehend zweckmässig und muss durchdacht und ergänzt werden.» Inzwischen ermitteln die Staatsanwälte in Berlin und Cottbus gegen Mitarbeiter aus dem Auswärtigen Amt, die möglicherweise übers Ziel hinausgeschossen sind.

Damit nicht genug: Ein Fall von Vetternwirtschaft könnte die laxe Visumvergabe zusätzlich begünstigt haben: Ein leitender Beamter im Hause Baerbock, der erst für das Visumrecht zuständig war und inzwischen im Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan arbeitet, ist mit einer Fachanwältin für Ausländerrecht verheiratet. Diese hat wiederum afghanische Mandanten vertreten, die sich im Ausland um ein deutsches Visum bemüht haben. Parallel hat sie Botschaftsmitarbeiter beraten, die mit der Vergabe solcher Visa betraut sind. Das Paar könnte, wenn es die Weisung aus Baerbocks Ministerium ernst genommen hat, die Visumsvergabe an Afghanen erheblich zu deren Gunsten beeinflusst haben.

Zahlen sprechen dafür: Mehr als 400.000 Menschen aus Afghanistan leben mittlerweile in Deutschland. Ihre Zahl hat sich innerhalb von zehn Jahren versechsfacht. In der ersten Hälfte dieses Jahres beantragten rund 20.000 Afghanen Asyl. Sie sind nach den Syrern die zweitgrösste Gruppe in Deutschland. Ihre Anerkennungsquote liegt bei 77 Prozent.

Das Auswärtige Amt sagt zu den Vorfällen, dass die Ermittlungen nur eine kleine Anzahl von Einzelfällen betreffen würden. «Man kann hier aber nicht von einem Visumskandal sprechen. Wir sind bei der Visumvergabe an Recht und Gesetz und an Regeln gebunden, und die werden auch eingehalten.» Allerdings steht das an sich bis September 2025 laufende Bundesaufnahmeprogramm für Afghanen inzwischen auf der Kippe. Selbst die linke SPD-Innenministerin Nancy Faeser ist dagegen, es in vollem Umfang fortzuführen.

Um Baerbock, die gerade auf ihre Kandidatur für das Kanzleramt verzichtet hat, wird es einsamer.