Wenn man den Finanzstabilitäts-Bericht 2022 der Schweizerischen Nationalbank (SNB) liest, dann kommt man sich wie im falschen Film vor.

Die grössten Sorgen der SNB im letzten Jahr waren offensichtlich die möglichen Auswirkungen des Klimawandels und der Energiewende auf die Grossbanken in den Jahren 2030 bis 2050. Die Risiken des Ukraine-Krieges und der damit verbundenen Sanktionen wurden zwar beleuchtet. Dass staatliche Arretierungen von Vermögenswerten auch Kunden aus anderen (Problem-)Staaten aufschrecken und zum Abzug ihrer Guthaben animieren könnten, wurde hingegen mit keinem Wort erwähnt.

Wie die Credit Suisse zeigt, waren es nicht die Klima-Risiken, die die Katastrophe ausgelöst haben, sondern Fehlinvestitionen in amerikanische und britische Betrügerfirmen wie Greensill und Archegos und andere Managementfehler in den Monaten und Jahren zuvor.

Die Lageanalysen der SNB haben die seit Monaten wachsenden Grossrisiken in den Büchern der US-Geschäftsbanken nicht erkannt. Die Statistiken zeigten jedoch klar, dass die Unternehmenskredite in den USA in den letzten Jahren wegen der Tiefzinspolitik nur noch bescheiden zunahmen und phasenweise sogar rückläufig waren, weil sich auch minderwertigste Schuldner problemlos am Kapitalmarkt Geld beschaffen konnten. Dafür haben die Geschäftsbanken ihre Bilanzen mit Anleihen des amerikanischen Staates und dessen Hypothekar-Instituten vollgestopft.

Diese Engagements begannen schon kurz nach der Finanzkrise 2008, weil dafür kaum Eigenkapital benötigt wurde. Heute halten die amerikanischen Kommerzbanken 50 Prozent mehr Staatspapiere als Geschäftskredite in ihren Bilanzen. Dass bei einer Zinswende auf diesen Mega-Positionen Bewertungsverluste eintreten und US-Banken treffen würden, war doch vorhersehbar.

Ähnliche Verhältnisse herrschen übrigens auch in Europa, und wenn man die Finanzprobleme der grossen Immobilienfirmen in Deutschland verfolgt, dann weiss man, dass es noch schlimmer kommen kann.

Aber die Realität hat die SNB eingeholt. Nicht Modell-Spielereien mit Klima-Risiken in den nächsten Jahrzehnten, sondern eine intensivere Überwachung der aktuellen Vorgänge in den Grossbanken und eine konkrete Vorbereitung auf einen digitalen Liquiditäts-Run und Bewertungsabschläge von Festverzinslichen in den Büchern wären zweckmässig gewesen.

In ihrem Finanzstabilitäts-Bericht hält die SNB fest: «Gerät eine global aktive Schweizer Bank in eine finanzielle Schieflage und erweisen sich die Stabilisierungsmassnahmen als nicht erfolgreich, muss eine ordentliche Resolution ohne Verlustbeteiligung der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler möglich sein. Die Finma ist verantwortlich für die Planung und operative Umsetzung der Sanierung und Abwicklung der global aktiven Schweizer Banken.»

Nicht besser operierte die Finma: In ihrer ersten Aufsichts-Mitteilung 2023 weist sie auf relevante Entwicklungen im Bereich des Managements klimabezogener Finanzrisiken hin: «Die Finma bekräftigt ihre Erwartung, dass beaufsichtigte Institute anhand von anerkannten Vorgehensweisen ein angemessenes Management von Klima-Risiken etablieren.» Das tönt eher nach unterbeschäftigten Beamten als nach einer realitätsnahen Überwachung der Bankenwelt.

In ihrem Resolutions-Bericht 2022 hält auch sie fest: «Die Schweizer Notfallpläne der Grossbanken Credit Suisse und UBS werden weiterhin als umsetzbar beurteilt.» Wie die Realität zeigt, ist dies nicht der Fall. Eine grobe Fehlbeurteilung.

Die Finma führt weiter aus, dass die Grossbanken in der Lage seien, den Liquiditäts- und Kapitalbedarf fortlaufend zu berechnen und der Finma mitzuteilen.

Die Finma war somit jederzeit über den aktuellen Stand der Dinge informiert und hätte schon längst die Notbremse ziehen können. Aber nun versucht man mit Notrecht und einer Enteignung der Aktionäre und der Additional-Tier-1-Anleihen-Besitzer das eigene Problem zu umschiffen, nämlich eingestehen zu müssen, dass man nicht in der Lage wäre, innert Tagen die Zwangsverwaltung einer internationalen Bank zu übernehmen, wie es im Gesetz vorgesehen ist.