Der Präsident von Frankreich, Emmanuel Macron, wird mit Kritik überschüttet. Was hat er Schlimmes getan? Macron sagte nach einem Staatsbesuch in China in einem Interview, die «grösste Gefahr» für Europa bestehe gegenwärtig darin, in den Konflikt zwischen China und den USA hineingezogen zu werden, der «nicht der unsere ist». Er fordert eine eigene Strategie Europas.

Jetzt wird Macron als «politisches Leichtgewicht» abgekanzelt, denn er sei ohne Not Xi Jinping auf den Leim gegangen und spalte den Westen in der Taiwan-Frage. Schon als er sich Ende letzten Jahres für gewisse Sicherheitsgarantien für Russland ausgesprochen und das Wort «Friedensverhandlungen» in den Mund genommen hat, hagelte es Kritik.

Statt mit Empörung und Verurteilung zu reagieren, sollte man eigentlich kurz innehalten und nachdenken. Da sagt der Präsident der einzigen verbliebenen Atommacht in der Europäischen Union, unser Kontinent müsse aufpassen, nicht in «fremde Händel» hineingerissen zu werden. Wenn schon das Staatsoberhaupt eines früheren imperialen Staates, der auch Kolonien besass und wo der Sonnenkönig genau wie Napoleon oder Charles de Gaulle immer sehr selbstbewusst auftrat, zu weniger Einmischung, im Klartext eigentlich zu mehr Neutralität aufruft: Wie viel mehr Grund hat dann die Schweiz für aussenpolitische Zurückhaltung?

Die Grande Nation macht es eigentlich unserem Kleinstaat Schweiz vor: Es ist gefährlich, sich in die Konflikte und Kriege von anderen hineinziehen zu lassen. Denn es sind nicht unsere Konflikte und nicht unsere Kriege. Begreiflich, dass die USA ihre nationalen Interessen durchaus robust vertreten. Das aber ist noch kein Grund für einen souveränen, demokratischen, freiheitlichen Kleinstaat wie die Schweiz, die bewährte schweizerische Neutralität zu opfern.