Von Polen bis nach Italien haben sich die EU-Länder vom russischen Gas entkoppeln können. Österreich, die Slowakei, Slowenien und Ungarn dagegen hängen – Krieg hin, Frieden her – teilweise noch zu mehr als 80 Prozent am russischen Tropf. Der Durchleitungsvertrag zwischen dem ukrainischen Energieversorger Naftogaz und der russischen Gazprom wird jedoch Ende 2024 auslaufen.

Was tun?

Die Länder stünden ohne dieses russische Gas da. Und die Ukraine ohne jene rund 1,3 Milliarden Euro, die sie geschätzt für die Durchleitung erhält. Nur durch die Gaspipeline Turkstream, die vom Süden Russlands durch das Schwarze Meer in die Türkei verläuft und von dort verschiedene Länder auf dem Balkan versorgt, flösse noch russisches Gas in den Westen.

Der Lieferstopp hat zwei Auswirkungen: eine wirtschaftliche und eine politische. Die wirtschaftliche klingt beherrschbar, die politische allerdings eskaliert derzeit. Österreich könnte mit Überkapazitäten aus Deutschland versorgt werden. Dazu kommen gut gefüllte Gasspeicher und ein niedrigerer Verbrauch wegen schwächelnder Konjunktur.

Auch für das kleine Slowenien und die Slowakei wäre genügend Gas vorhanden. Bei Ungarn nehmen die Experten an, dass sich das Land wie schon in den vergangenen Monaten vor allem über Turkstream mit Gas aus Russland versorgt.

Heikler ist die politische Komponente: Ende September sind Nationalratswahlen in Österreich, und die rechte FPÖ liegt in Umfragen vorn. Ihre Gallionsfigur Herbert Kickl sieht die Sache so: Dass die Ukraine den Durchleitungsvertrag mit Gazprom nicht verlängere, sei ein «Anschlag auf Energieversorgung, Wohlstand und Zukunft der Österreicher». Er rechnet deswegen den Gas-Deal gegen die Hilfe für ukrainische Kriegsflüchtlinge und Hilfszahlungen Österreichs an Kiew auf: «3,51 Milliarden Euro an Steuergeld hat die Regierung bisher für die Ukraine aufgebracht, rund 70.000 Ukrainer wurden wiederum auf Kosten der Bevölkerung aufgenommen und zum ‹Dank› dafür will das Selenskyj-Regime den Österreichern die Gasversorgung kappen.»

Eine andere Sicht auf die Dinge hat die EU. Sie will die Anhängigkeit von russischem Gas bis Ende 2027 auf null reduzieren. Ihr Botschafter in Österreich, Martin Selmayr, hatte im vergangenen Jahr eine diplomatische Krise ausgelöst, als er Österreichs Zahlungen an Moskau im Gegenzug für Gaslieferungen als «Blutgeld» bezeichnete.

Ergebnis: Der Streit wird politisch entschieden. Ein Regierungschef Kickl im Verein mit Viktor Orbán wird weiter russisches Gas abnehmen. Putin muss nur noch ein bisschen warten.