Das Wort «mühelos» mag er nicht besonders. Roger Federer, Inbegriff federleichter Tenniseleganz, erhielt die ehrenvolle Aufgabe, am traditionsreichen amerikanischen Dartmouth College in New Hampshire (1769 gegründet, zu den Ivy-League-Universitäten gehörend) die Abschlussrede der «Class of 2024» zu halten.

Federer, der neben zwanzig Grand-Slam-Titeln nun auch jenen des Ehrendoktors von Dartmouth trägt, hat selber nie studiert. Mit 16 setzte er voll auf die Karte Tennis. Vor zwei Jahren trat er vom Spitzensport zurück. Jetzt sei er vor allem Vater, spiele online Schach und sorge mit dem Staubsauger für Ordnung, scherzte der 42-jährige Baselbieter.

Der Champion gab den scheidenden amerikanischen Studentinnen und Studenten drei Lektionen mit auf den Weg.

Erstens: «Mühelos ist ein Mythos». Der Schwerpunkt von Federers Rede. Er sagte, es sei frustrierend gewesen, zu hören, sein Spiel schaue mühelos aus, obwohl so viel Arbeit dahintersteckte. Er holte zu einem Plädoyer für Disziplin aus. «Klar, es braucht Talent. Doch dies ist ein dehnbarer Begriff. Disziplin haben ist auch ein Talent. In den meisten Fällen geht es nicht darum, talentiert zu sein, sondern Entschlossenheit zu zeigen (…) und an sich selber zu glauben.» Das müsse man aber lernen. Bei ihm fruchtete es, als er begann, sich nicht auf die Schwächen seiner Gegner zu konzentrieren, sondern sie dort zu schlagen, wo sie am stärksten waren. Hatte jemand zum Beispiel eine gute Vorhand, attackierte er diese gnadenlos. «So schlug ich 2003 einige der Besten.» Eine weitere Hürde, die es zu überwinden gelte, sei, dann zu gewinnen, wenn man ein wenig angeschlagen sei. «Auf diese Siege können wir am meisten stolz sein, denn sie beweisen, dass du nicht bloss dann gewinnen kannst, wenn du topfit bist.»

Zweitens: «Es ist bloss ein Punkt.» Manchmal verliere man, auch wenn man alles gegeben habe. Man müsse lernen, das zu akzeptieren. Federer erzählte, dass er zwar 80 Prozent aller Matches, die er gespielt habe, gewonnen habe. Schaue man sich aber die Punktestatistik der Spiele an, ergebe es ein anderes Bild: Er habe bloss 54 Prozent aller Punkte gewonnen. «Wenn du praktisch jeden zweiten Punkt nicht machst, lernst du, über verlorene Punkte hinwegzuschauen. Es ist bloss ein Punkt.» Anders ausgedrückt: Bevor der Punkt gespielt wird, ist er das Wichtigste überhaupt. Danach nicht mehr. «Diese Einstellung ist dermassen wichtig, weil du dann völlig befreit den nächsten Punkt spielen kannst: intensiv, klar, fokussiert», so Federer. «Die Weltbesten sind nicht die Besten, weil sie jeden Punkt gewonnen haben, sondern weil ihnen bewusst ist, dass sie immer wieder verlieren werden, aber wissen, wie sie damit umgehen müssen.»

Drittens: «Das Leben ist grösser als der Platz.» Ihm sei schon früh bewusst geworden, dass ein Leben abseits des Tennisplatzes sehr wichtig sei. «Wohl deshalb bin ich nicht ausgebrannt», sagte Federer den Dartmouth-Studenten. Es gehe auch darum, andere Kulturen und Länder zu sehen, Freunde und Familie zu pflegen, aber auch Gutes zu tun. Federer erwähnte dabei seine Stiftung in Südafrika, die bisher über drei Millionen Kindern Zugang zu Bildung ermöglicht habe.