Mehr als achtzig von rund hundert Delegationen haben das Abschluss-Communiqué auf dem Bürgenstock unterzeichnet. Wichtige Staaten, darunter die Brics-Länder Indien, Brasilien und Südafrika, konnte man für eine Unterschrift jedoch nicht gewinnen.

China und Russland fehlten gleich ganz. Gekommen sind ohnehin mehrheitlich Regierungsvertreter aus Nato-Staaten. Eigentlich ein Desaster. Doch für Bundespräsidentin Viola Amherd ist die Bürgenstock-Konferenz trotzdem ein Erfolg. «Wir haben erreicht, was zu erreichen war», sagte die Bundesrätin zuletzt.

In Tat und Wahrheit ist die Bilanz ernüchternd. Im besten Fall handelte es sich um eine PR-Show Wolodymyr Selenskyjs. Der ukrainische Präsident konnte unwidersprochen seine Sicht der Dinge auf den Konflikt darlegen. Ob er damit seinem Land einen Gefallen getan hat, steht auf einem anderen Blatt.

Da hilft es auch wenig, in der Abschlusserklärung Russland als alleinigen Schuldigen für den Krieg darzustellen. Das Dokument bietet keinerlei Ansatzpunkte dafür, Moskau die Hand zu reichen. Ist das der «Weg zum Frieden», den Amherd meint?

Der ukrainische Präsident ist weiterhin nicht bereit, Zugeständnisse zu machen, was Verhandlungen wiederum schwierig macht. Mantramässig erwähnte Selenskyj auf dem Bürgenstock, dass bisher bloss Russland kein Interesse an Verhandlungen gezeigt habe. Der ukrainische Präsident wehrte sich jedoch von Anfang an gegen eine Teilnahme Russlands.

Ziemlich sicher ist: Mit der Bürgenstock-Konferenz ist man dem Frieden in der Ukraine keinen Meter näher gekommen. Das war absehbar. Doch die offizielle Schweiz liess sich blenden und von Kiew einspannen. Bern machte brav, was Kiew verlangte. Der Preis ist ein weiterer Glaubwürdigkeitsverlust.

Die Neutralität wird immer mehr zur Farce. Selenskyj, EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen und Co. gefällt das. Ihnen dürfte es auf dem Bürgenstock mit bester Sicht auf den Vierwaldstättersee ohnehin geschmeckt haben – für Kulinarisches und Hotels durften die Steuerzahler in die Tasche greifen.

Die grosse Frage bleibt: Wie geht es jetzt weiter? Ein konkreter Plan liegt offenbar nicht vor. Kommt es zu einem echten Friedensgipfel? Hierfür soll sich Saudi-Arabien zuletzt in Stellung gebracht haben. Am gestrigen Sonntag kündigte nun der kanadische Premierminister Justin Trudeau die Austragung einer weiteren Konferenz an.

Dabei gibt es wohl kaum einen Politiker, der hierfür ungeeigneter sein könnte. Trudeau ist äusserst unpopulär in seinem Land, das zudem Nato-Mitglied ist. Als Vermittler werden Russland und Co. Kanada kaum ernst nehmen. Die offizielle Schweiz scheint die Trudeau-Initiative jedoch als Erfolg wahrzunehmen.

Hat Bern die Realpolitik inzwischen auf dem Altar des Wunschdenkens geopfert?