Es ist eine der grossen Streitfragen bei den Verhandlungen zum umstrittenen Rahmenvertrag 2.0, den die Schweiz und die EU bis Ende Jahr festzurren wollen – der Einfluss des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) bei künftigen Differenzen.

Der Bundesrat und Aussenminister Ignazio Cassis versuchen uns diesen ungeniessbaren Kolonialvertrag auch damit schmackhaft zu machen, indem man uns vorgaukelt, bei Auseinandersetzungen sei nicht der Europäische Gerichtshof, sondern ein auch mit Schweizer Richtern bestücktes paritätisches Schiedsgericht zuständig.

Ein grosser Troubadour dieser Erzählung ist Nationalratspräsident Eric Nussbaumer (SP), der Vorsitzende der Europäischen Bewegung Schweiz. Nussbaumer plappert seit Jahren brav nach, was Bern und Brüssel ihm einflüstern – nämlich, dass die Schweiz mit diesen Verträgen keine fremden Richter akzeptieren müsse. Dafür verwies er eben auch auf dieses Schiedsgericht.

Der frühere Präsident des Efta-Gerichtshofes, Professor Carl Baudenbacher, ein Schweizer Experte, was internationale Gerichtsinstanzen anbelangt, hat Nussbaumer auf dem sozialen Netzwerk Linkedin nun fachmännisch widersprochen. Für Baudenbacher stellt das Schiedsgericht nur eine «Formalie» dar. Es sei dazu verpflichtet, den EuGH anzurufen, der wiederum ein verbindliches Urteil erlassen würde. Das Modell mit dem Pro-forma-Schiedsgericht stamme aus den Verträgen der EU mit postsowjetischen Schwellenländern, schreibt Baudenbacher. Wer sich in der Materie EU und EWR auskenne, sei sich darüber im Klaren, dass damit der enorme Souveränitätstransfer auf die EU verdeckt werden solle. Dem Pro-forma-Schiedsgericht würden keine realen Kompetenzen übertragen, so Baudenbacher weiter.

Der ehemalige Efta-Gerichtshof-Präsident mutmasst zum Schluss seines Beitrages, dass Nussbaumer womöglich selber Opfer eines Täuschungsmanövers geworden sei. Selbst wenn dem so wäre, wird der ideologisch verblendete Baselbieter EU-Turbo weiterhin stur und hartnäckig landauf, landab die frohe Botschaft vom paritätischen Schiedsgericht verkünden. Auch wenn unsere Souveränität dabei draufgeht.