28.000 Einwohner zählt Rapperswil-Jona. Damit ist der Ort am Obersee die zweitgrösste Stadt des Kantons St. Gallen – und die grösste Stadt der Schweiz, deren politische Geschicke von einer Bürgerversammlung gelenkt werden.

Am Sonntag hätte sich dies ändern sollen: Nach 2015 wurden die Stimmbürger zum zweiten Mal an die Urne gerufen, um die Einführung von neuen politischen Strukturen mit einem «professionellen» Parlament zu beschliessen.

Und die Ausgangslage war dankbar: Alle sieben Ortsparteien – von ganz links (Grüne) bis rechts (SVP) – votierten dafür. Und auch der Stadtrat legte sich mächtig für die Vorlage ins Zeug.

Doch die Befürworter machten die Rechnung ohne den Wirt – beziehungsweise ohne ein «Nein-Komitee» aus politischen Quereinsteigern: Software-Ingenieur Robert Hegner, Journalistin Franziska Kohler, Gastronom Joe Kunz und Unternehmer Martin Casal.

Die vier besassen zwar die Unterstützung von einigen namhaften Unterstützern – darunter von Medienunternehmer Bruno Hug –, doch faktisch stellten sie sich mit ihrem Anliegen allein gegen das gesamte Polit-Establishment.

Ihr Hauptargumente: «Ein Parlament verteuert die Administration, verhindert das politische Mitspracherecht und unterwandert so die Demokratie.»

So trivial diese Argumente auch waren, so sehr trafen sie den Nerv der Bevölkerung: 4355 Abstimmende (51,72 Prozent) sagten nein, 4065 (48,28 Prozent) waren für die Anpassung der Gemeindeordnung. Die Stimmbeteiligung lag bei 45,33 Prozent.

Während Stadtpräsident Martin Stöckling (FDP) die Niederlage sportlich nahm und augenzwinkernd bemerkte: «Wir sind das letzte gallische Dorf der Schweiz», veranlasste die Abfuhr Christian Meier, Präsident der lokalen FDP und Mitglied des Pro-Komitees, über die politische Disziplin der Bevölkerung herzuziehen. Es sei ein Armutszeugnis für die direkte Demokratie, wenn über die Hälfte der Bürger nicht an der Abstimmung teilnehmen: «So müssten sich die Parteien eigentlich überlegen, sich ganz aus dem politischen Geschäft zurückzuziehen. Dieses Resultat ist ein Beweis, dass vor allem mit Geld Politik gemacht werden kann.»

Grossen Sportgeist bewies der Vertreter der Wirtschaftspartei mit dieser Einschätzung nicht. Dabei müsste eine politische Niederlage in einem demokratischen Prozess eigentlich die Gelegenheit sein, die eigene Position zu überdenken und sich die entscheidende Frage zu stellen: Politisieren die Parteien vielleicht nicht ziemlich weit am Volk vorbei?