Ich habe stets Ihre fürsorgliche Haltung gegenüber den Mitarbeitern geschätzt und gelobt. Auch in schwierigen Fällen haben Sie menschliche Lösungen gefunden, sprich: die schmutzige Wäsche nie ausser Haus gebracht. Selbst wichtige Persönlichkeiten des Verlags haben Sie geschützt, wenn diese für Skandale verantwortlich waren. Bettgeschichten zwischen Vorgesetzten und Mitarbeiterinnen, bevorzugte Behandlung von Untergebenen, alles blieb in der Ringier-Familie.

Wie konnten Sie nur zulassen, dass in Ihrem Haus eine Kultur der Denunziation, der Vorverurteilung und der öffentlichen Exekution einziehen konnte? Wie können Sie zuschauen, wie wichtigste Exponenten des Hauses, die sich für den Erfolg von Ringier beide Beine ausgerissen haben, den Hatern der sozialen Medien und der Schadenfreude der Konkurrenz ausgesetzt und obendrein beruflich ruiniert werden? Dies aufgrund von zweifelhaften Beschwerden, die noch nicht kontradiktorisch abgeklärt sind.

Wie kommt es, dass ein Verlag, der sich eine Direktorin für Diversity zugelegt hat, den prominentesten Journalisten des Hauses per Communiqué der Gerüchteküche ausliefert! Gilt Diversity nur für Frauen? Wie kommt es, dass Sie den Mann, der Ihnen dank seinem unternehmerischen Geschick zig Millionen ins Haus schaufelt, wegen eines Informations-Leaks beim Bund öffentlich degradieren, gegenüber allen Geschäftspartnern demütigen? Wie kommt es, dass Ihr Haus die umstrittene Beschwerde einer Dame zum Anlass nimmt, um einen Chefredaktor, der dem Haus zwanzig Jahre erfolgreich gedient hat, einfach rauszuschmeissen?

Ist dieses neue Regime, das die Fürsorgepflicht für Mitarbeiter mit Füssen tritt und Vorverurteilung und öffentliche Exekution zur neuen Kultur macht, in Ihrem Sinn?

Ich kann es nicht glauben. Oder mal offen gefragt: Sind Sie überhaupt noch in charge?