Kurt Wüthrich ist eine Koryphäe der Biochemie. X-fach ausgezeichnet, Träger des Nobelpreises für Chemie. Am jährlichen Nobelpreisträger-Treffen brach er mit einem Tabu.

Er sagte, dass er sich als Mann diskriminiert fühle – und erklärte dies später in einem Zeitungsinterview: «Ich beklagte, dass an dieser Konferenz der Fokus dermassen auf Diversität und Inklusion gelegt wurde, dass die Gespräche über die Wissenschaft in den Hintergrund gerieten.» Dabei sei eine bedrückende Atmosphäre geschaffen worden: «Viele wagen gar nicht mehr, offen zu reden, weil das ihre Karriere gefährden könnte.»

In der abschliessenden Fragerunde des Panels am Nobelpreisträger-Treffen ergriff eine junge Forscherin das Wort: «Ich fühle mich sehr unwohl, wenn ein Nobelpreisträger von sogenannter Männerdiskriminierung spricht.» Es möge Fälle von individueller Diskriminierung geben, aber das sei nichts im Vergleich zur «systematischen und strukturellen Diskriminierung, der Frauen ausgesetzt seien, besonders in den Naturwissenschaften».

Der Moderator versuchte die Diskussion zu stoppen, wurde von Wüthrich aber unterbrochen, der sich erneut ungerecht angegriffen fühlte. Er wies darauf hin, dass er lediglich auf die Aussagen einer Nobelpreisträgerin hingewiesen habe.

Auf Twitter löste die Debatte heftige Reaktionen aus – und Wüthrich musste sich allerhand anhören. Er sei ein «alter weisser Mann», der in den letzten 25 Jahren nichts dazugelernt habe. Auch Professorinnen und Professoren von Schweizer Hochschulen beteiligten sich am öffentlichen Tribunal – und deckten Wüthrich teilweise mit persönlichkeitsverletzenden Voten ein.

Damit haben sich die vermeintlichen Vorkämpfer der Gleichstellungdebatte selber demaskiert. Sie sind nicht fähig, Kritik einzustecken und ihre eigene Einstellung zu reflektieren. Für sie gibt es nur eine Wahrheit – die ideologische.