Thierry Burkart gibt sich besorgt über die flächendeckenden Listenverbindungen der Mitte mit den Grün-Liberalen und der EVP. Er hat erkannt, dass es dabei möglicherweise nicht nur um Reststimmen geht, die zusammengelegt der einen oder anderen an der Listenverbindung beteiligten Partei zu einem weiteren Mandat verhelfen könnten. Burkart befürchtet ein Zusammengehen der Mitte mit den Grün-Liberalen, zieht daraus aber nicht die logischen Schlussfolgerungen.

Mit einer solchen Fusion würde die Grün-Liberale-Mitte zur zweitgrössten Bundespartei aufrücken. In den Reihen der Mitte befinden sich bekanntlich genügend geübte (BDP-)Wendehälse, die nicht das erste Mal mit Links-Grün kollaborieren würden, um an der Macht zu bleiben. Die Grün-Liberalen sind weder bürgerlich noch liberal. Das Label täuscht.

Ein Zusammenrücken würde die Zauberformel bei den Bundesratswahlen neu aufmischen. Gemäss den letzten Umfragen würde die SVP auf 27 Prozent, die fusionierte Grün-Liberale-Mitte auf 21 Prozent, die SP auf 18 Prozent Wähleranteil kommen, die FDP mit 16 Prozent aber nur noch auf Rang vier landen. Gemäss der Zauberformel haben die drei grössten Parteien Anspruch auf je zwei Bundesräte, die viertgrösste auf einen Sitz.

Die Mitte ist an einem Zusammengehen interessiert, weil sie sonst riskiert, bei den Parlamentswahlen am 22. Oktober 2023 selbst auf den fünften Platz, hinter die Grün-Liberalen, abzurutschen. Damit hätte sie ihren Anspruch auf einen Bundesratssitz verspielt. Die Grün-Liberale-Mitte würde sich die «Kriegsbeute», die zwei Bundesratssitze, wohl teilen, einer ginge an die Mitte, der andere an die Grün-Liberalen. Damit hätte die Mitte ihren gefährdeten Bundesratssitz gerettet, die Grün-Liberalen hätten ihr längst gehegtes Ziel erreicht. Über die Klinge springen müssten bei der FDP entweder Ignazio Cassis oder Karin Keller-Sutter.

Gelingt es der FDP bei den nächsten Wahlen nicht, einige zusätzliche Sitze zu gewinnen, während die SP gleichzeitig einige verliert, dann wird es für die FDP schwierig werden, ihre zwei Bundesratssitze gegen die fusionierte Grün-Liberale-Mitte zu verteidigen. Wenn die FDP nun noch die SVP mit der Verweigerung von Listenverbindungen vor den Kopf stösst, dann kann die Partei auch kaum weiterhin auf die Unterstützung der SVP hoffen.

Selbst im Aargau, dem Herkunftskanton des FDP-Präsidenten, hat die FDP-Kantonalpartei den Ernst der Lage noch nicht erkannt und will mit der SVP keine Listenverbindung eingehen. Sind persönliche Animositäten und die Befindlichkeiten von Parteigrössen in der Provinz tatsächlich wichtiger als das Überleben der FDP? Für Burkart offensichtlich ja.

Es könnte mir eigentlich egal sein, wie sich einzelne Parteipräsidenten im Wahlkampf verhalten. Aber diesmal geht es eben nicht nur um die FDP, sondern um die bürgerliche Mehrheit im Bundesrat. Die FDP ist auf jede Stimme angewiesen, und selbst wenn diese Stimmen bei Listenverbindungen teilweise an die SVP gehen würden, dann sind sie wenigstens nicht verloren. Verlorene Stimmen im bürgerlichen Lager stärken indirekt Links-Grün. Und diese würden nur zu gerne die FDP-Vertretung im Bundesrat halbieren.

Das Üble daran ist, dass dies möglicherweise die letzte Gelegenheit für die FDP ist, sich für weitere vier Jahre ein Doppelmandat zu sichern. Denn im Hintergrund lauert bereits die nächste Fusionsgefahr, ein Zusammengehen der SP mit den Grünen, um die linken Bundesratsmandate zu verteidigen. Ein solches Zusammengehen würde die FDP definitiv auf Rang vier verbannen.

Noch ist es nicht zu spät, aber der Countdown läuft, zumal die FDP-Spitze wegen ihrer Zustimmung zum «Stromfressergesetz» einen bedeutenden Teil ihrer eigenen Wählerschaft vergrault hat, wie viele Zuschriften und Leserbriefe zeigen.