Es herrscht grosse Unruhe in den Brüsseler Chefetagen. Besorgt blickt man in die Zukunft. Wichtiges steht auf dem Spiel.

Nein, nicht Krieg und Frieden, Energienöte, Inflation oder gar die Sorgen der Bürger.

Wie gesagt, es geht um Wichtiges. Die berufliche Zukunft der Damen und Herren in diesen Chefetagen.

Ausgelöst hat die Unruhe Charles Michel, Präsident des EU-Rates. Er kandidiert für einen Sitz im EU-Parlament, weshalb man schnell einen Nachfolger braucht. Das befeuert Nervosität, Neid und Missgunst.

Denn Michel will mehr sein als ein Hinterbänkler, aber was? EU-Kommissions-Präsident als Nachfolger von Ursula von der Leyen? EU-Aussenkommissar? Oder – über Bande gespielt – belgischer Premierminister?

Michels Fall wirft ein Schlaglicht auf die Kuhhändel, in denen Europas Spitzenpersonal Spitzenjobs untereinander auskungelt.

Tritt Michel in die EU-Kommission ein, muss Belgiens bisheriger Kommissar weichen. Kein Problem, der wird Generalsekretär des Europarates. Wird er Regierungschef, kann Vorgänger Alexander De Croo in die Kommission rochieren.

Muss Aussenkommissar Borrell weichen? Na und? Für ihn findet sich ein Pöstchen in einer internationalen Organisation.

Joker-Posten ist das Amt des Nato-Generalsekretärs. Amtsinhaber Jens Stoltenberg geht – nein, nicht in Rente, sondern als Zentralbankchef nach Oslo.

Als Nachfolger kommen in Betracht: Mark Rutte, der – als Regierungschef in den Niederlanden abgemeldet – dringend eine Anschlussbeschäftigung sucht.

Oder die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas, die daheim angeschlagen ist. Bereits ihr Vater war Regierungschef und auch EU-Kommissar in Brüssel. Derartige Politiker-Dynastien sind nicht selten.

Einer solchen Dynastie entstammt auch Ursula von der Leyen, die ebenfalls für den Nato-Job gehandelt wurde. Aber wahrscheinlich will sie in Brüssel weitermachen. Ohne gewählt zu werden, versteht sich. Wurde sie beim letzten Mal ja auch nicht. Wähler sind so schrecklich unberechenbar.

Sie ist kein Einzelfall. In keinem der Posten, welche die immergleichen Männer und Frauen einander wegschnappen oder zuschanzen, spielt ein Wähler eine Rolle.

Ja, da macht er aber Augen, der Bürger.