Die Zustimmung der Stimmbürger zum Klimagesetz war auch ein Sieg von SVP-Bundesrat Albert Rösti, dem neuen Chef im Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek). Rösti sagte vor den Medien in Bern denn auch, er freue sich mit der Landesregierung über das Abstimmungsresultat, verzog aber keine Miene.

Sich wirklich freuen geht anders. Lag es daran, dass er seine Parteikollegen, die beim Klimagesetz eine Niederlage einstecken mussten, nicht mit einer zur Schau getragenen guten Laune vor den Kopf stossen wollte? Oder wusste er selber noch nicht so recht, was er von dem Ergebnis halten sollte? Bis 2050 soll die Schweiz nicht mehr Treibhausgase in die Atmosphäre ausstossen, als durch natürliche und technische Speicher aufgenommen werden können. Das neue Klimagesetz ist aber derart abstrakt, dass man klima- und energiepolitisch so gut wie alles hineininterpretieren kann.

Wermuth prescht vor

Mitte-Präsident Gerhard Pfister fand zum Beispiel, nun sei man verstärkt auf Stromimporte angewiesen, deshalb brauche es subito ein Stromabkommen mit der EU. Seine Parteikollegin Priska Wismer zog den gegenteiligen Schluss: Erneuerbare Energien würden nun verstärkt gefördert, das helfe, die Auslandabhängigkeit zu reduzieren. Gut, behielt Uvek-Chef Rösti einen klaren Kopf. Er werde nicht mit Verbotsideen in den Bundesrat gehen, beruhigte er die Bevölkerung.

Allein in diesem Jahr sind die Strompreise um 27 Prozent gestiegen.

Die Linken und Grünen weibelten für das neue Klimagesetz mit dem Versprechen, dass die neuen Bestimmungen keine Verbote beinhalten. Kaum war das Resultat bekannt, polterte SP-Co-Präsident Cédric Wermuth via 20 Minuten drauflos: «Der Moment, an dem man über Verbote wird diskutieren müssen, könnte kommen.» Er kam sogar schneller, als er selber erwartet hatte. Am Montagmorgen beschloss die Umweltkommission (Urek) des Nationalrats, im Bundesgesetz über die sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien (Mantelerlass) eine umfassende Solarpflicht für alle Neubauten ins Gesetz zu hieven. Der Ständerat hatte genau dies kürzlich gestrichen. «Damit hat Mitte-links das Versprechen bereits gebrochen, dass es keine Verbote geben werde», erklärt SVP-Nationalrat Christian Imark. Denn die Solarpflicht laufe auf ein Verbot hinaus. Er rechnet damit, dass die Befürworter des neuen Klimagesetzes regelmässig Bundesrat und Uvek-Chef Rösti an die vom Volk beschlossenen Klimaziele erinnern und weitere Massnahmen fordern werden.

Vieles liegt schon griffbereit: So verlangen SP und Grüne mit einer Klimafonds-Initiative, man solle jährlich bis zu 1 Prozent in den ökologischen Umbau investieren. Die Grünen kündigten obendrein an, dass man die Lancierung einer grünen Solar-Initiative prüfe. Die SP will weiter ein Volksbegehren gegen den Finanzplatz aufgleisen, weil dieser Konzerne finanziere, die im Kohle-, Öl- und Gassektor tätig seien.

Schon vor einiger Zeit haben Bürgerliche eine Atominitiative aufgegleist. Das Ziel ist die Streichung des Technologieverbots aus dem Kernenergiegesetz. Sogar die FDP fordert ein Comeback der AKW. Parteipräsident Thierry Burkart preschte vor. Inzwischen ist der wendige Zürcher FDP-Ständerat Ruedi Noser aufgesprungen. 2017 trommelte er noch für die Energiestrategie 2050, also für den Atomausstieg.

Sommarugas Altlasten

Rösti muss zuerst Altlasten abtragen, die ihm seine Vorgängerin Simonetta Sommaruga (SP) hinterlassen hat. Vor der Sommerpause wird er die Beschleunigungsvorlagen vorstellen, die Sommaruga 2022 aufgegleist hat. Die Bewilligungsverfahren für Stromproduktionsanlagen dauern zu lange, zehn bis zwanzig Jahre. Nun will man kürzere Verfahren. Der Ständerat wird sich im Herbst über die Revision des CO2-Gesetzes beugen, mit der man den CO2-Ausstoss bis 2030 gegenüber 1990 halbieren will.

Rösti warnte am Sonntag: «Ich hoffe, dass das Parlament sich am Vorschlag des Bundesrats orientiert und die Vorlage nicht überlädt. Neue Abgaben oder eine Erhöhung bestehender Abgaben werden es schwer haben in einer weiteren Abstimmung.» Bereits beschlossen ist das Referendum gegen den Windexpress. Hier geht es um kürzere Verfahren für Windparks im nationalen Interesse, bis eine zusätzliche Leistung von 600 Megawatt installiert ist.

Da kommt also noch einiges auf Rösti zu. Die Rechnung dafür bezahlt die Bevölkerung über massiv höhere Stromrechnungen. Allein in diesem Jahr sind die Strompreise um 27 Prozent gestiegen. Für das nächste Jahr sind bereits Aufschläge von 12 Prozent angekündigt.