Am Mittwoch stand die grosse Aussprache zur Regierungserklärung von Deutschlands Kanzler Olaf Scholz auf der Traktandenliste des Bundestags. Letzte Woche hatte er seinen Finanzminister entlassen. Am 16. Dezember stellt er dem Parlament die Vertrauensfrage. Die Neuwahlen finden am 23. Februar nächsten Jahres statt. Die Ampel ist Geschichte.

Scholz und Oppositionsführer Merz nutzten die Gelegenheit dazu, sich für den Wahlkampf in Stellung zu bringen. Scholz lobte rückblickend seine Politik als «vernünftig». Man habe die Ukraine unterstützt, werde das auch weiterhin tun, aber keine Fernwaffen zum Angriff auf russisches Territorium liefern. Scholz limitierte die Ukraine-Hilfe bei zwölf Milliarden Euro. Sie dürfe nicht auf Kosten Deutschlands gehen.

Der Kanzler gab sich kämpferisch und entschlossen. Er blicke mit Zuversicht in die Zukunft und glaube, eine Mehrheit der Bevölkerung auf seine Seite zu bringen. Mit dem neuen US-Präsidenten Trump habe er gesprochen. Die transatlantische Zusammenarbeit werde gefestigt. Gleichzeitig warnte er vor amerikanischen Zuständen der Polarisierung. «Ich will, das es so weit nicht kommt bei uns in Deutschland.»

Oppositionschef Friedrich Merz nannte die Scholz-Rede eine «Geisterstunde», sie sei «nicht von dieser Welt». Scharf wandte sich Merz an die AfD: «Ist Dazwischenschreien und Rumbrüllen alles, was Sie können?» Jeglicher Zusammenarbeit erteilte er eine schroffe Absage. Stattdessen gedenke er, «Leistungsbereitschaft» zurückzubringen. Allerdings stehe seine CDU nicht als «Auswechselspieler für Scholz’ «auseinenanderbrechende Regierung» zur Verfügung.

Alle Prognosen sehen Merz bereits in der Rolle des Nachfolgers von Scholz im Kanzleramt. So sicher aber ist das nicht. Es ist nicht gesagt, dass am 16. Dezember die Parlamentarier für die vorzeitige Beendigung der Legislatur stimmen, um damit Merz zu helfen. Sie würden damit einträgliche Pfründe verlieren und sogar Rentenansprüche von bis zu 3000 Euro pro Jahr. Werden sie das tun? Durchaus möglich, dass Scholz die Vertrauensabstimmung erfolgreich übersteht.

Und die Wahlen, falls es anders kommen sollte? Da könnte das Thema Krieg eine wichtige Rolle spielen. Merz und auch der geschasste FDP-Finanzminister Christian Lindner haben sich am Mittwoch deutlich für die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine ausgesprochen. Mit dieser Präzisionsrakete würde Deutschland tiefer in den Konflikt verwickelt. Spezialisten müssten die anspruchsvollen Systeme bedienen, mit denen zum Beispiel der Kreml getroffen werden könnte.

Ob die Deutschen das wirklich wollen? Und was wäre wohl aus russischer Sicht die Reaktion, sollte ausgerechnet Deutschland sich auf diese Weise für eine Eskalation hergeben? Wir sind keine Wahrsager, aber es ist denkbar, dass Merz mit seiner rabiat «falkischen» Taurus-Position auf Kollisionskurs geht mit der in Deutschland sich gemäss Umfrage ausbreitenden Friedensstimmung. Spitzt sich der Wahlkampf zu auf ein Duell zwischen dem «Friedenskanzler» und dem «Raketen-Merz», ist hier wohl auch ein Ausgang vorstellbar, der heutigen Umfragen widerspricht. Merz ist Favorit. Verstolpert er den so nahen Erfolg?