Manche Leute nennen die deutschen Geheimdienste auch deshalb liebevoll «SchlapphĂŒte», weil sich der Rest der Welt schlapplacht ĂŒber die deutschen Agenten.

Das Bundesverfassungsgericht erklĂ€rt die gesamte restliche Welt zu GrundrechtetrĂ€gern im Sinne des Grundgesetzes, so dass deutsche Dienste selbst im Ausland nur eingeschrĂ€nkt abhören können und immer öfter weghören mĂŒssen, wenn sich Terroristen und andere Verschwörer unterhalten.

Der AttentĂ€ter vom Berliner Breitscheidplatz war den Behörden bekannt, man stritt aber darĂŒber, wer fĂŒr die Über- und Bewachung zustĂ€ndig sei. Und inzwischen wird der Ex-Chef des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maassen, von seinen Ex-Kollegen aufwendig ĂŒberwacht, die dann eine bessere Presseschau zusammenstellten.

Ob und wie die Gefahrenabwehr der schlappen HĂŒte funktioniert, daran darf man inzwischen berechtigte Zweifel haben. Aber fĂŒr ein paar hĂŒbsche RĂ€nkespiele reicht es immer noch.

Maximilian Krah zum Beispiel, Spitzenkandidat der AfD im Europawahlkampf, wurde dieser Tage von der Festnahme seines Mitarbeiters, des Deutsch-Chinesen Jian Guo (43), ĂŒberrascht, der fĂŒr Peking spionieren soll. Was Krah selbst vom Doppelleben des Mannes gewusst hat, ist bislang unklar. Da es sich um die AfD handelt, gilt im Zweifel die Schuldvermutung.

Bei einer Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums des SĂ€chsischen Landtags kam jetzt nach Informationen von Bild heraus, dass Guo zwischen 2007 und 2018 in Kontakt mit dem Verfassungsschutz stand und nach dubiosen Treffen in der chinesischen Botschaft ab 2019 erneut vom deutschen Inlandsgeheimdienst beschattet wurde.

Und so mausert sich die vermeintliche Causa Krah mehr und mehr zu einer handfesten Agenten-Posse, die selbst die GrĂŒnen im SĂ€chsischen Landtag verblĂŒfft: War Guo ein Doppelagent? Warum wurde er so lange vom Verfassungsschutz gefĂŒhrt? Und warum wurde sein Dienstherr Krah offensichtlich nicht informiert? Und warum flog der mutmassliche Spion erst kurz vor der Europawahl auf? Ein Schelm, wer politisch Böses dabei denkt.

Fragen ĂŒber Fragen, die zumindest nicht dazu beitragen, den Vorgang durchschaubarer und glaubwĂŒrdiger zu machen. Es ist kein Geheimnis, dass Krah selbst bislang eher als unkritischer China-Freund auftrat. Unklar bleibt einstweilen, ob es sich bei der ganzen Plotte um eine Intrige, ĂŒbliche Inkompetenz oder Dummheit handelt. Angeblich habe sich das sĂ€chsische Landesamt fĂŒr Verfassungsschutz nicht zustĂ€ndig gefĂŒhlt, weil ja das Bundesamt bei den China-Connections mit im Spiel war.

Inkompetenz, Amtsschimmel und eine gute Prise böser Wille: Alles, was ein schlechter Vorabendkrimi braucht. Schalten Sie auch nÀchste Woche wieder ein, wenn Sie Thomas Haldenwang sagen hören: «Die bisherige Europawahlversammlung der AfD, die wir als Verdachtsfall bearbeiten, belegt einmal mehr unsere EinschÀtzung, dass innerhalb der Partei starke verfassungsfeindliche Strömungen bestehen, deren Einfluss weiter zunimmt.»

Fortsetzung folgt.

Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen. Sein neues Buch «Der Siegeszug der Populisten. Warum die etablierten Parteien die BĂŒrger verloren haben. Analyse eines Demokratieversagens» erscheint im Herbst und kann schon jetzt vorbestellt werden.