Es gibt Fälle, in denen ist die Lüge strafbar. Ein solcher Fall ist der Meineid vor Gericht oder auch die Abgabe einer falschen – und in unserem Fall nicht ganz unwichtig – einer unvollständigen eidesstattlichen Versicherung.

Eine solche Versicherung gab Christian Drosten im Rahmen eines Zivilprozesses ab. Der Hamburger Professor Roland Wiesendanger (der die Echtheit des im Netz kursierenden Dokuments mir gegenüber bestätigt hat) hatte dem Berliner Virologen vorgeworfen, die Bevölkerung bezüglich des Ursprungs des Corona-Virus getäuscht zu haben. Drosten sah sich in seiner Ehre verletzt und wollte diese Aussagen für unrechtmässig erklären lassen. Er klagte. Wiesendanger geht «mit 99,9-prozentiger Sicherheit» davon aus, dass das Virus im Labor hergestellt wurde.

Die Äusserung bezüglich der Täuschung wurde Wiesendanger in einem erstinstanzlichen Urteil untersagt, in anderen Punkten bekam er recht. So darf er Drosten weiterhin eine «Desinformationskampagne» und die Äusserung von «Unwahrheiten» vorwerfen.

Auf den Ursprung im Labor deutet neben ominösen Förderungen des US-Verteidigungsminsteriums zu Coronavirus-Forschung an Peter Daszak und andere ein Element im genetischen Code des Virus – die sogenannte Furin-Spalte – hin, die bei natürlichen Coronaviren nicht vorkommt.

Christian Drosten hat im Rahmen des äusserungsrechtlichen Prozesses eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, in welcher er darlegt, an einer von Fauci angeregten Telefonkonferenz teilgenommen zu haben, in welcher die Möglichkeit eines Laborursprungs diskutiert worden sei.

Diese These sei daraufhin «zerpflückt» worden, behauptet er vor Gericht. Drosten sagt aus, während seiner Teilnahme an der Konferenz sei keine Verabredung getroffen worden, die Möglichkeit einer Laborherkunft vor der Öffentlichkeit zu vertuschen. Drosten sei, so beteuert er in dem Dokument, bezüglich der Frage des Laborhersprungs neutral eingestellt: Er habe «kein Interesse, die Laborthese als Ursprung des Virus auszuschliessen». Da es naturgemäss schwierig ist, Aussagen in einer Telefonkonferenz zu verifizieren, konnten Drostens Aussagen bisher nicht widerlegt werden.

Das könnte sich jetzt massgeblich ändern.

Vor kurzem hat der Journalist Jimmy Tobias die Veröffentlichung der Mail-Korrespondenz zwischen Fauci, Drosten und weiteren Wissenschaftlern im Rahmen eines Verfahrens zur Informationsfreiheit («Freedom of Information Act», FOIA) freigeklagt und veröffentlicht. Diese Mails betrafen vor allem die Frage des möglichen Laborursprungs und wie man mit einer Diskussion in der Öffentlichkeit diesbezüglich umgehen solle. Drosten nahm am Mail-Austausch Teil.

Die darin von Drosten jetzt offengelegten Aussagen lassen erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt seiner Beteuerungen in der eidesstattlichen Versicherung aufkommen. Seine Äusserungen im E-Mail-Verkehr zeugen nicht von Neutralität, sondern von Voreingenommenheit und lassen seine eidesstattliche Versicherung als falsch beziehungsweise unvollständig erscheinen.

Nicht nur wird durch den Mail-Verkehr deutlich, dass einige Diskussionsteilnehmer der Ansicht waren, dass ein Laborursprung nicht auszuschliessen sei. Dies sei vor allem wegen der bei natürlichen Coronaviren nicht vorkommenden Furin-Spalte der Fall. Auch eine Reihe anderer Argumente wurden genannt.

Drostens Äusserungen in einer Mail vom 9. Februar 2020 sprechen eine deutliche Sprache der Einseitigkeit: Sind wir nicht zusammengekommen, um eine bestimmte Theorie (gemeint ist wohl: der Laborursprung) zu erschüttern und wenn möglich zu versenken («and if we could, drop it?»). Und weiter: «Arbeiten wir daran, unsere eigene Verschwörungstheorie zu widerlegen?»

Drosten selbst wird in den Kollegen-Mails freundlich «zurückgepfiffen»; er vertrete seine Ansicht mit «mehr Eindringlichkeit als nötig».

Damit wackelt Drostens behauptete Neutralität und dessen Aussage, er würde bei Anzeichen für eine Laborthese diese «mit Nachdruck in der wissenschaftlichen und öffentlichen Diskussion vertreten». Derartige Anzeichen wurden ja in den Mails genannt. Der Mail-Verkehr belegt, dass Drosten die Argumente, die Zweifel an der Natürlichkeit des Virus erläutern, nicht sachlich-wissenschaftlich dekonstruiert. Er folgt der Linie, dass nicht sein kann, was nicht sein darf (oder soll?), obwohl Kollegen darlegen, dass eine Manipulation des Virus im Labor durchaus im Rahmen des Möglichen liegt. So habe es bisher nie eine derartige natürliche Mutation des Sars-Virus gegeben.

Zehn Tage nach genannter E-Mail veröffentlichten Drosten und andere Wissenschaftler (u. a. Peter Daszak von der Health Alliance, der hohe Förderungs-Summen vom US-Verteidigungsministerium zu Corona-Viren in Fledermäusen erhalten hatte) einen Brief im Wissenschaftsmagazin The Lancet, in welchem sie Solidarität mit den Forschern in China bekräftigen, «Verschwörungstheorien» entgegentreten wollen und für Einigkeit unter Forschern plädieren.

Derartige politische und nicht etwa wissenschaftliche Aussagen wurden später harsch kritisiert, unter anderem von Jeffrey Sachs, dem Leiter der Covid-Kommission von The Lancet. Er fühlte sich von Wissenschaftskollegen getäuscht, welche wissenschaftlich anmutende Artikel über den Ursprung des Coronavirus veröffentlichten, tatsächlich aber ein Narrativ verbreiten wollten. Er geht, ebenso wie Wiesendanger, von einem Laborursprung des Virus aus.

Bezüglich Drosten stehen nun strafrechtlich relevante Falschaussagen im Raum. Nicht nur ist die Laborthese von den Wissenschaftlern nicht «zerpflückt» worden, wie er behauptet; es wurden vielmehr von mehreren Forschern Hypothesen in den Raum gestellt, die auf einen Laborursprung hindeuten. Man entschied sich eher aus Gründen der Schadensbegrenzung und Kommunikationstaktik dafür, weiter evidenzbasiert zu dieser Frage zu forschen. Hätte man die Laborthese tatsächlich zerpflückt, hätte eine neutrale, auf vielen Schultern stehende Veröffentlichung der Ergebnisse in einem Wissenschaftsjournal Sinn gemacht. Man plädierte dagegen. Es blieb bei dem dünnen Nature-Artikel, statt das Gespräch mit Kritikern zu suchen und eine Gemeinschaftsarbeit zu veröffentlichen.

Drosten zeigt in seinen E-Mail-Nachrichten deutlich, dass er die Diskussion weg vom Laborursprung lenken wollte. Er zeigt mit seinen Aussagen, dass er sich der Diskussion verschliesst. Eine wissenschaftliche Widerlegung der genannten Hypothesen ist von ihm nicht erfolgt, ja nicht einmal die Auseinandersetzung mit diesen. Vielmehr wirkt er nassforsch und ungehalten.

Auf eine falsche Versicherung an Eides statt steht laut dem deutschen Strafgesetzbuch eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. Ob sich Christian Drosten strafbar gemacht hat, müssten jetzt deutsche Gerichte klären.

Haben Staatsanwälte schon die Arbeit aufgenommen?

Milosz Matuschek ist Herausgeber von www.freischwebende-intelligenz.org und Kolumnist der Weltwoche. Zuletzt veröffentlichte er den Spiegel-Bestseller «Wenn’s keiner sagt, sag ich’s» (Fifty-Fifty, 2022).