Streit ist nicht schön. Streit ist mühsam. Das macht Demokratie so anstrengend.

Man kann also Carolin Emcke verstehen, wenn sie auf der diesjährigen Re:publica mit Leidenschaft dafür plädierte, keine Einladungen mehr zu Pro-und-Contra-Formaten anzunehmen. «Das muss aufhören», rief die Autorin in das begeisterte Publikum.

Doch was man im ersten Moment vielleicht noch als Appell für eine sachliche Diskussion missverstehen konnte, zeigte schon im nächsten Satz sein hässliches totalitäres Gesicht: Es würde uns beständig vorgemacht, so Emcke, dass es zu allen Fragen gleichermassen vernünftige, sich widersprechende Positionen gäbe. Das sei aber Bullshit.

Im Klartext: Carolin Emcke plädierte dafür, keine Diskussionsformate mehr zu besuchen, in denen unterschiedliche Meinungen vertreten werden. Denn für Frau Emcke gibt es etwa zu Fragen des Klimas oder der Migration anscheinend nur eine legitime Meinung. Und nur diese darf in den Medien präsent sein. Welche Meinung das ist, kann man sich an zwei Fingern abzählen.

Nun könnten spitzzüngige Zeitgenossen anmerken, dass in der deutschen Debattenlandschaft ohnehin nur eine Meinung vertreten wird. Die Dreistigkeit, mit der Emcke alle anderen Ansichten ausser ihre eigene unterbinden möchte, da sie ihr als unvernünftig gelten, ist dennoch bemerkenswert.

Die Re:publica ist eine Berliner Konferenz zu Digitalisierung und Netzkultur. Hier trifft sich das Justemilieu, in dem ohnehin alle das Gleiche denken.

Der Applaus für Emcke kann daher nicht überraschen. Es ist der Applaus der Herrschenden, die kontroverse Diskussionen nicht als Bereicherung empfinden, sondern als Bedrohung.

Es ist der Applaus einer Elite, die um ihren Lebensstil fürchtet, das aber selten so klar artikuliert. Man muss Carolin Emcke daher dankbar sein für ihre Ehrlichkeit.