Dieser Text erschien zuerst auf dem Online-Portal Nius.de.

Die Planwirtschaft konnte man riechen. Wenn in der DDR die Kohle-Lieferungen pünktlich waren, hing an grauen Novembertagen ein grauer Dunst über den grauen Bröckelfassaden im Prenzlauer Berg. Es roch nach Schwefel und erlöschendem, feuchtem Lagerfeuerholz. In der Schule bekamen wir für die beiden Grossfeuerungen schwarzes Schüttgut, das eher an Torf als an Kohle erinnerte und in dem man prähistorische Abdrücke von Farnen und Reste vorzeitlicher Baumstämme fand.

Seit der Verfassungsschutz in seinem Bericht von 2021 den Tatbestand der «verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung staatlicher Organe» eingeführt und als Beispiel für diese Deliktgruppe unter anderem «DDR-Vergleiche» erwähnt hat, muss man vorsichtig sein, wenn einem als Ex-Ostmensch heute Dinge bekannt vorkommen.

Und doch muss man mitunter beide Augen fest zukneifen, wenn man die schleichende Rückkehr realsozialistischer Erscheinungen nicht zur Kenntnis nehmen wollte.

Wie schön war doch die Planwirtschaft!

Dabei geht es längst nicht mehr nur um «Meldestellen» zum Anschwärzen von Mitbürgern, die nichts Strafbares getan haben, oder um die Tatsache, dass es sich empfiehlt, lieber – wie alle anderen – eine Regenbogenfahne aufzuhängen, wenn man nicht als irgendwie-phob gelten und zur Rechtfertigung gedrängt werden möchte. Es geht auch nicht um das befremdliche Phänomen, dass Leute die Stimme senken oder um sich schauen, wenn sie über bestimmte Themen sprechen wollen.

Besonders auffällig ist seit einiger Zeit das fröhliche Comeback der Planwirtschaft mitten im kapitalistischen Europa.

Gefestigte Kader freuen sich zum Beispiel schon seit langem über die Rückkehr der Fünfjahrespläne, die voraussetzungs- und alternativlos genau festlegen, wann die Atomkraft beendet ist (2022), der Verbrennungsmotor ausrangiert wird (2035), wir die Kohle nicht mehr brauchen (2038) oder Europa klimaneutral ist (2045).

Es ist alles wie früher, nur anders

In der DDR beschloss das Politbüro allenthalben, wann die nächste «Entwicklungsstufe des Sozialismus» erreicht sein sollte, wie viele Wohnungen (bei gedeckelten Mieten) – auch das eine Parallele – «für unsere Werktätigen» auf dem Weg dorthin pro Jahr gebaut werden sollten und dass die «Konsumgüterproduktion von Waren des täglichen Bedarfs» noch (!) stärker auf die Bedürfnisse «unserer Menschen» zugeschnitten werden solle. Und wie damals gibt es auch heute besonders eifrige (Zeit-)Genossen, die mit der Übererfüllung des Plans glänzen wollen und schon 2030 Klimaneutralität als Planziel ausgeben, wie verschiedene Aktivisten in Berlin.

Das mit den Wohnungen klappte schon damals nicht, weil im VEB Kombinat Tiefbau das Ersatzteil für einen Bagger fehlte, die planmässige Produktion von Zement wetterbedingt nicht hinterherkam oder der «Genosse Winter» die Arbeiten auf den Baustellen gefrieren liess. Ganz grundsätzlich ist eine gewisse Planung nicht verkehrt, sie wird aber zum Problem, wenn sie zum ideologischen Selbstzweck und zu einem autistischen System wird, bei dem Realität und Aussenwelt mit dem Wunschziel verwechselt werden.

Und so fühlt man sich immer öfter an den fatalistischen Ossi-Spruch erinnert: «Es ist alles wie früher, nur anders.» Kanzler Olaf Scholz (SPD) will sechs Windräder pro Tag aufstellen, um die Klimawende zu schaffen. Tatsächlich sind es derzeit zwei bis drei. «Wünsch dir was» als Regierungsprogramm! Von der Tatsache mal abgesehen, dass sich niemand ein Land wünschen kann, dass mit weiteren 100.000 Windrädern zugestellt ist.

Für die «Verkehrswende», bei der das Verbrenneraus schon geplant ist, kostet die Entwicklung von E-Autos und Batterien Milliarden, der Verkauf muss subventioniert werden, weil die Gefährte teuer, unpraktisch und nicht familientauglich sind, die Ladesäulen müssen subventioniert werden, und die Leitungen für die nötigen Stromstärken liegen auch noch nicht.

Jeder einigermassen praktisch veranlagte Mensch ahnt, dass die Rechnung nicht aufgeht, nur die Politik nicht.

Und Verkehr ist nur eine Baustelle, wir wollen gleichzeitig Wasserstoff-Pipelines bauen für Wasserstoff, den wir nicht haben und erst noch mit grüner Energie herstellen wollen, die wir nicht ausreichend haben, und grüne Fernwärme wollen wir auch noch flächendeckend und die Infrastruktur sanieren, die Bahn milliardenschwer aufhübschen, Milliarden in die Verteidigung stecken und vom üppigen Sozialstaat keine Abstriche machen. Die «lichten Höhen des Sozialismus» sind ein realistisches Ziel dagegen.

Planmässig in den Abschwung

Der Unterschied zwischen der Planwirtschaft im realen Sozialismus und der heutigen: Im Sozialismus sollte die vergesellschaftete Planwirtschaft von Anfang an und ausdrücklich gewollt Profite, Gewinnmaximierung verhindern und schuf eine Mangelgesellschaft. Heute läuft es auf das Gleiche hinaus, nur andersherum: Eine Wohlstandsgesellschaft ruiniert sich freiwillig durch illusionäre Transformationspläne. Damals verhinderte Planwirtschaft den Aufschwung, heute führt sie planmässig zum Abschwung. Welch ein Zufall, dass Deutschland eines der wenigen Länder ist, das 2023 in einer Rezession steckt.

Gemeinsam ist den Planwirtschaften, dass sie jeweils als eine Art Naturgesetzlichkeit verkauft werden: in der DDR (und dem restlichen Ostblock) als «wissenschaftliche Weltanschauung», auf die die Weltgeschichte laut Marx‘ historischem Materialismus gewissermassen schicksalhaft und zwingend hinausläuft, in der Gegenwart als unausweichliche «Transformation», zu der die Welt nur Ja oder Ja sagen könne.

Damals wie heute funktionieren solche idealistischen Denkmuster nur nach dem Prinzip «Wenn jeder würde, …» und wenn alle mitmachen. Es ist deshalb kein Zufall, dass das künstliche Verteuern von Produkten, Produktion und Leben durch CO2-Bepreisung nur funktionieren kann, wenn am Ende ein weltweiter «Klima-Klub» mitmacht und sich von uns überzeugen lässt, seine Wettbewerbsvorteile um der guten Sache willen aufzugeben. Das Lachen in Peking dürfte sich tausendfach an der Chinesischen Mauer brechen.

Es war nicht alles schlecht!

Und so krame ich denn die sonnigen Erinnerungen wieder hervor an die erste Wohnung, die ich im Herbst 1989 bezog, und den kohlebeheizten Badeofen darin. Und weil im «modernen Energienetz» (Klaus Müller, Chef der Bundesnetzagentur) der Strom für Industrie, Infrastruktur, E-Autos und elektrische Wärmepumpen nicht reicht und staatlich rationiert werden muss, kann ich nahtlos an die guten alten DDR-Zeiten anknüpfen, als es Bananen nur hin und wieder gab, grüne Orangen aus Kuba gelegentlich und Ketchup oder Papiertaschentücher nur in Kleinmengen abgegeben wurden («Bitte nur zwei Packungen nehmen!»). Läuft in Deutschland. Oder um es mit Taz-Autorin Ulrike Herrmann zu sagen: «Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind».

Die Tütensuppen von Maggi und Knorr, die wir aus dem Westen bekamen, hob meine Mutter «für gut» und ganz besondere Anlässe auf, ein mitgebrachter Westjoghurt wurde löffelspitzenweise zelebriert, und mit dem guten alten Trabbi ging’s mit Tempolimit 100 hm/h auf den alten Hitler-Autobahnen potock, potock über die Teernähte der Plattenstösse zwischen den stinkenden Rieselfeldern entlang. Es war nicht alles schlecht! Oder wie Katrin Göring-Eckardt sagen würde: «der Wohlstand des Weniger»!

Von Westfernsehen und dem Wesen der Wahrheit

Mir fällt die Rückkehr zur Planwirtschaft nicht schwer. Ratzfatz habe ich bei Betreten von Geschäften die Standardfrage wieder drauf: «Haben Sie …?» Dass die Reflexe der Vorratswirtschaft noch funktionieren, haben wir während Corona gesehen, und Termine bei einem Facharzt bekommt man schon jetzt wieder nur noch mit «Vitamin B»-Beziehungen. Nur Intershops als kleine Wohlstandsinseln gibt es heute nicht mehr. Dafür werden Zeitungen aus der Schweiz schon wieder als eine Art Westfernsehen gehandelt. Läuft für uns Ossis.

Und so schreiben wir denn heute bei vollem Bewusstsein immer neue Grundrechte in die Verfassung, auf unversehrte Natur, auf Kinderbetreuung, Kinderrechte und gern auch auf «sexuelle Identität», was immer das sein mag, und merken gar nicht, dass wir weder die nötigen Kitas haben noch die Betreuer. Und selbstverständlich lassen wir uns auch von der lästigen Biologie nicht länger bevormunden und entscheiden selbst, was Mann und Frau ist. Sollen sich die dämlichen Gene doch gehackt legen. Was scheren uns Wirklichkeit und Wahrheit, wenn wir doch einen Plan haben!

Generalversammlung der Vereinten Wolkenkuckucksheime

Als Mensch mit Erinnerung steht man dann fassungslos dabei, weil man glaubte, wir hätten die Lektion gelernt, dass Kosmos und Welt sich nicht nach unseren Wünschen richten und eine sich evolutionär auf Sicht nach vorn tastende Marktwirtschaft allen planwirtschaftlichen Sozialismen überlegen ist.

Der Zusammenbruch des letzten Grossexperiments im Osten war als deutlich lesbarer Merksatz der Geschichte eigentlich nicht zu übersehen. Stattdessen führen wir auf europäischer Ebene «Taxonomien» ein, die Finanz- und Wirtschaftsströme schon wieder in die vermeintlich gute und richtige Richtung der höheren politischen Erkenntnis lenken sollen, wie einst im «Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe». Dass Geld und Staatshaushalt uns bei unseren Plänen nicht im Wege stehen dürfen, versteht sich ebenfalls von selbst. Nur das vertrackte Bundesverfassungsgericht hat das noch nicht begriffen.

Wir beschliessen einfach, dass die Lieferketten künftig fair und gerecht seien, legen Millenniumsziele für die Welt fest, die in der Generalversammlung der Vereinten Wolkenkuckucksheime Applaus bekommen, schaffen es nicht, unsere Grenzen zu schützen, würden aber gern vorschreiben, wie und was Menschen essen, wie sie reisen und welche Medien sie konsumieren sollen.

Die Erfahrung aus der letzten Planwirtschaft besagt, dass der staatliche Durchgriff immer autoritärer wird, je weniger die Rechnung aufgeht, je realitätsferner die Grundannahmen sind und je krasser die erträumten Ziele verfehlt werden. Selbstverständlich sind Dissidenten und Querulanten schuld, wenn die Traumblase der gut gemeinten Pläne platzt. Deshalb muss man wegsperren, canceln und keine Bühne bieten, wer an der «historischen Mission» (der Arbeiterklasse) nicht mitwirken will.

Der Zusammenbruch, so viel kann ich verraten, ist dann am Ende nicht schön. Aber hey, das haben wir schon mal hingekriegt …

Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein neues Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen.

Die 3 Top-Kommentare zu "Vorwärts nimmer, rückwärts immer: Deutschlands Regierung flirtet mit der DDR. Das fröhliche Comeback der Planwirtschaft ist nah"
  • hellwigfam

    Sie haben so recht. Als gelernter DDR Bürger habe ich das auch schon einmal erlebt. Es ist Endzeitstimmung 89 zweipunktnull. Der Knall kommt plötzlich und unerwartet bei den nächsten Wahlen.

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    Ich habe es längst aufgegeben, die Deutschen zu bemitleiden. Sie bekommen einfach, was sie sich mit ihrem Kadavergehorsam verdient haben. Das einstmals grossartige Volk der Dichter und Denker wurde unter kräftiger, höchst erfolgreicher Mitwirkung der Amerikaner, der WHO, des WEF‘s und anderer sogenannter „Eliten“ zu einem Schatten seiner einstmaligen Grösse gestutzt.

  • Mad Maxl

    Das Foto zeigt eigentlich klar auf was mit Deutschland gerade geschieht. Verantwortlich dafür SPD/FDP/GRÜNE ! Mehr braucht man dazu nicht zu sagen / schreiben, außer "Seht genau hin" und erkennt was auf Deutschland zurollt.