Die Hüterin des Euros, Christine Lagarde, hat vor dem EU-Parlament erklärt, woher die Inflation kommt: Die meisten Unternehmen hätten höhere Kosten komplett auf Kunden abgewälzt, und einige seien sogar so frech, die Preise über die gestiegenen Kosten hinaus anzuheben. Ökonomen sprechen in so einem Fall von «Gierflation».

Aus dem Mund einer Notenbank-Präsidentin, die erst die Geldmenge in ungeahnte Höhen trieb, dann zu spät gemerkt hat, welches Raubtier sie damit von der Leine liess, und seither die Zinsen im Formel-1-Tempo erhöht, wirkt so eine Analyse fadenscheinig. Es waren Lagarde und ihr Vorgänger Mario Draghi, die das holpernde Euro-System mit einer Geldflut stabilisiert haben, ohne die Konstruktionsfehler des Euros zu beseitigen. Sie haben die Inflation heraufbeschworen.

Es dann als «Gier» zu bezeichnen, wenn Unternehmen die Umstände nutzen, ist eine gewagte Interpretation. Die nüchterne Beschreibung lautet: Die Unternehmen verhalten sich, wie der Kapitalismus es vorsieht, der das Gewinnstreben der Menschen als Triebfeder für ein funktionierendes Wirtschaftssystem nutzt.

Die Methode, daraus eine produktive Gesellschaftsordnung zu machen, nennt sich Marktwirtschaft. Ihre gezähmte Variante ist die soziale Marktwirtschaft. In ihr spielen die Hüter der Geldwertstabilität eine entscheidende Rolle.

Der ist Lagarde viel zu lange nicht gerecht geworden.