Das deutsche Grundgesetz ist mit Blick auf die Presse glasklar: «Eine Zensur findet nicht statt», heisst es im Artikel 5. Auf EU-Ebene ist der Satz etwas mühsamer, meint aber das Gleiche: «Medienfreiheit und Medienpluralismus sind wesentliche Bestandteile der Demokratie und der Grundrechte der EU-Bürgerinnen und -Bürger», heisst es vom Europäischen Rat. Und in der «Bill of Rights» der USA steht: «Der Kongress soll kein Gesetz erlassen …, das die Meinungs- oder Pressefreiheit einschränkt …»

Ist an all diesen Aussagen eigentlich irgendetwas missverständlich?

Offenbar schon: Meta-Chef Mark Zuckerberg hat sich jetzt beschwert, dass Facebook seinen Nutzern während der Corona-Pandemie Inhalte vorenthalten musste, die das Weisse Haus nicht sehen wollte. Er beklagt in einem Brief an den Justizausschuss des US-Repräsentantenhauses, dass sein Konzern während der Corona-Pandemie von der US-Regierung «unter Druck gesetzt» worden sei, Inhalte im Zusammenhang mit dem Virus zu zensieren. «Im Jahr 2021 haben hochrangige Beamte der Regierung Biden, darunter das Weisse Haus, unsere Teams monatelang wiederholt unter Druck gesetzt, bestimmte Covid-19-Inhalte, darunter Humor und Satire, zu zensieren», schreibt er.

Damit nicht genug: Zuckerberg räumt in dem Schreiben ein, dass Facebook Inhalte, die sich auf die Berichterstattung über Joe Bidens Sohn Hunter vor den Wahlen 2020 bezogen, zurückhalten musste. Es geht um die «Laptop-Affäre»: Auf der Festplatte von Hunter Bidens Laptops fanden Ermittler Textnachrichten, Fotos sowie Finanzdokumente zwischen Hunter Biden, seiner Familie und Geschäftspartnern, die belegen, wie der Sohn des Präsidenten von dessen politischen Einfluss bei ausländischen Geschäften profitierte. Insgesamt hat Facebook in etwas mehr als einem Jahr mehr als zwanzig Millionen Inhalte entfernt.

Zuckerberg steckt im gleichen Dilemma, wie Elon Musk es mit seiner Plattform X erlebt. Musk sieht X als Hort der Meinungsfreiheit. Die Europäische Union wiederum erinnert den Unternehmer ständig an seine Auskunftspflichten und ihren Digital Service Act (DSA) und droht mit Millionengeldstrafen. Inzwischen reden beide Seiten über Anwälte miteinander. Und Pawel Durow, Mitgründer und Betreiber des Messangerdienstes Telegram, steht heute vor dem Richter in Paris, nachdem ihn die französische Polizei seit vier Tagen in Gewahrsam festhält. Ihm wird vorgeworfen, das Unternehmen habe es versäumt, Kriminalität auf der App nicht ausreichend zu bekämpfen.

Zuckerberg, Musk, Durow – sie alle sind Inhaber von Plattformen, auf denen Menschen ihre Ansichten zum Besten geben – und zwar weltweit. Als globale Unternehmer wissen sie: Was an einem Ende der Welt als richtig angesehen wird, kann am anderen Ende für völlig falsch gehalten werden. Sie mischen sich deswegen am liebsten nicht ein. Sie haben ein Recht dazu.