Bei «Feusi Fédéral» des Nebelspalters gab Gerhard Pfister den feurigen Befürworter des Klimagesetzes, über das am 18. Juni abgestimmt wird. Im Fall der Ablehnung sei dies eine erneuter Rückschritt der Schweiz, um die «absolut notwendigen» Pariser Klimaziele zu erfüllen. Mittel- und langfristig gehe es ohne wirkliche finanzielle Bestrafung des CO2-Ausstosses nicht: «Wenn wir überzeugte Anhänger einer sozialen Marktwirtschaft sind, müssten wir uns sagen: Das Grundproblem ist, dass der Verbrauch von CO2 falsch bepreist ist.»

Feiertag für liberale Verfassung

Das sind bemerkenswerte Sätze des Mitte-Präsidenten, zumal Gerhard Pfister nebenbei als Präsident des Verbands der Schweizerischen Zementindustrie (Cemsuisse) amtet. Zement als unverzichtbarer Bestandteil von Beton, gilt aber als so ziemlich unbestrittener Rekordhalter des CO2-Ausstosses. Die Zementindustrie ist für etwa acht Prozent der weltweiten Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich. Mit seinen Voten und Vorstössen für ein konsequentes Verursacherprinzip bei allen Treibhausgas-Emissionen schadet Pfister genau jener Zementindustrie, deren oberster Lobbyist er eigentlich wäre. Realistische Fachleute wissen, dass Beton noch viele Jahrzehnte lang ein unverzichtbarer Baustoff bleiben wird.

Vor allem die Produktion von Klinker als wichtigstem Bestandteil von Zement ist enorm energieintensiv. Bislang scheint keine Technologie in Sicht, mit der sich Treibhausgas-Emissionen aus der Zementherstellung völlig vermeiden lassen. Pfister selber meint dazu: «Der Zementindustrie werden ihre CO2-Emissionen bereits verursachergerecht angelastet. Sie ist im Übrigen besser auf Kurs beim Netto-null-Ziel als die Schweiz im Durchschnitt.»

Welches Interesse hat er daran, den so wichtigen 1. August und die Erinnerung an 1291 zu relativieren?

Weit effizienter vertritt Gerhard Pfister die Bauwirtschaft in der Frage der Personenfreizügigkeit. In der Schweiz betreffen nachweislich vier von fünf neuerstellten Wohnungen die Zuwanderung. Konsequent widersetzt sich Pfister jeder Begrenzung der Zuwanderung aus dem EU-Raum, obwohl die Basis seiner Mitte-Partei einer solchen gemäss Tamedia-Umfrage mit 71 Prozent zustimmt. Pfister meinte gegenüber der Weltwoche: «Ohne Personenfreizügigkeit würden die Probleme grösser.» Er hat die Privatschule seiner Vorfahren nach 92-jährigem Bestehen verkauft und abbrechen lassen. Seither sind in Oberägeri gemäss Ausschreibung «22 elegante Etagen- und Attikawohnungen» entstanden.

Erstaunlich auch, dass der Mitte-Präsident unlängst im Parlament für einen zweiten Nationalfeiertag am 12. September gestimmt hat. Die Feier dieses Datums soll an jene Bundesverfassung erinnern, welche die Liberal-Radikalen 1848 nach einem Bürgerkrieg gegen den Willen von Pfisters Kanton Zug durchgesetzt haben. Erinnert sich der ehemalige CVP-Chef, der sich früher gerne zu katholisch-konservativen Werten bekannt hat, dass seine Partei damals in scharfer Opposition gegen genau diese Verfassung stand? Welches Interesse hat er daran, den für seine Zentralschweiz so wichtigen 1. August und damit die Erinnerung an 1291 zu relativieren?

Pfister kommentiert sein Stimmverhalten so: «Die historische Mission meiner Partei war es, die Katholiken mit dem neuen Bundesstaat zu versöhnen und sie darin zu integrieren. Das ist gelungen, und auch darum verdient der 12. September eine stärkere Beachtung im historischen Gedächtnis der Schweiz.»

Zwölf bezahlte Mandate

In eigener Sache scheint Gerhard Pfister erfolgreicher als bei den Wahlresultaten seiner Partei. Der Zuger hat neben seinem Nationalratsmandat und dem besthonorierten aller Parteipräsidien zwölf weitere bezahlte Pöstchen gesammelt. So ist er Präsident der Firma Pfister & Netzwerk, die seit zwölf Jahren in der Branche «PR-Dienstleistungen» tätig ist und dabei Politik, Wirtschaft und Bildung vernetzen will. Mit einem Architekten hat er letztes Jahr die Pfister Schnieper Consulting gegründet, bei der es um «Politik, Bildung, Immobilien, Prozesse, Netzwerke, Strategien» geht.

Wenn Pfister lautstark eine Eigenkapitalquote von 20 Prozent für die Banken fordert, nimmt er ein gewaltiges Bankensterben und einen weiteren dramatischen Bedeutungsverlust des Schweizer Finanzplatzes in Kauf. Er findet allerdings, der Finanzplatz erodiere wegen des Fehlmanagements von Bankern. Von einer Casino-Mentalität der Banken würde er dennoch niemals sprechen. Der Mitte-Chef präsidiert nämlich den Schweizer Casino-Verband. Dessen 243 Spieltische und 4410 Geldspielautomaten benötigen sehr viel Energie. So gesehen, ist das von Pfister beworbene Klimagesetz möglicherweise auch für die Spielcasinos nicht unbedingt des Rätsels beste Lösung.