Dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ist jedes Mittel recht, solange es seinen Propaganda-Zielen dient. Nach einem russischen Raketenangriff in Charkiw auf eine Druckerei in der Ukraine, bei dem sieben Menschen starben, richtete Selenskyj in den Ruinen einen Appell an US-Präsident Joe Biden und Chinas Staatschef Xi Jinping, sie sollten an die Friedenskonferenz kommen, die am 15./16. Juni auf dem Bürgenstock in der Schweiz stattfindet.

Dieser fast schon verzweifelte Aufruf konterkariert die jüngsten schönfärberischen Aussagen von Bundespräsidentin Viola Amherd (Mitte-Partei), die so tut, als sei der Showdown bereits jetzt ein formidabler Erfolg. Auf die Frage des Blicks, ob alles nach Plan laufe, antwortete die Frohnatur aus dem Oberwallis: «Wir haben schon rund siebzig Anmeldungen, von denen die Hälfte aus Europa, die andere Hälfte aus Südamerika, Afrika, dem Nahen Osten und Asien stammt. Wir sind also gut unterwegs.» Zu den Teilnehmern meinte sie: «Da wird es bis zum letzten Moment Änderungen geben.» Es liefen noch Verhandlungen. Läuft also tatsächlich alles nach Plan? Mitnichten.

Wichtige Akteure sagen ab

Selenskyjs Aufruf beweist allerdings erst recht, dass nicht nach dem von Bern und Kiew erträumten Drehbuch gespielt wird. Wichtige und einflussreiche Akteure wie US-Präsident Joe Biden werden fehlen. Nicht daran teilnehmen wird wohl auch der chinesische Staatspräsident oder die Staatsoberhäupter Russland-affiner Länder wie Lula da Silva für Brasilien und der Präsident Südafrikas, Cyril Ramaphosa. Bei Indien weiss man nicht, ob das Land überhaupt jemanden schicken wird. Während man Russland ganz einfach nicht eingeladen hat. Dadurch war es für viele zu offensichtlich, dass die Friedenskonferenz in der Schweiz nur Unterstützung für die Ukraine mobilisieren soll. Hof-Tage am Hofe zu Selenskyj gewissermassen.

FDP-Aussenpolitiker Hans-Peter Portmann, in den letzten Tagen mit einer Delegation aus Saudi-Arabien im Bundeshaus unterwegs, findet: «Aus meiner Sicht müsste man Russland kontinuierlich und in aller Öffentlichkeit zur Teilnahme an der Konferenz im Sinne des Völkerrechts inständig bitten.» Tatsächlich versucht Bundesrat Cassis Russland seit einiger Zeit trotz Nichteinladung irgendwie auf den Bürgerstock zu bekommen, wohl auch weil die Bedeutung der Veranstaltung wegen der Absagen gewaltig am Erodieren ist.

Bei seinem Besuch in Budapest hoffte er dafür auch auf den Support von Ungarn. Dazu sagt das EDA auf Anfrage der Weltwoche: «Die Friedenskonferenz auf dem Bürgenstock war bei allen offiziellen Gesprächen in Budapest ein Thema. Dabei wurde auch der Einbezug Russlands diskutiert», so ein Sprecher des Amtes. Und weiter: Die Konferenz auf dem Bürgenstock solle einen Friedensprozess anstossen. Die Schweiz sei überzeugt, dass Russland in diesen Prozess miteinbezogen werden muss. Ein Friedensprozess ohne Russland sei undenkbar. Laut NZZ sollen auch andere Bundesräte auf eine Teilnahme Russlands an der Friedenskonferenz hingewirkt haben.

Glaubwürdigkeit ist futsch

Eines der zentralen Kriterien, wenn man als Unterhändler in Sachen Frieden von den Kriegsparteien ernst genommen werden will, ist die Glaubwürdigkeit. Man sollte in den Konflikt nicht so involviert sein, dass es einen von vornherein zur Partei macht. Die Schweiz und Aussenminister Ignazio Cassis haben sich unter dem Druck des Auslandes fast gedankenlos auf die Seite der westlichen Allianz geschlagen. Die Verbrüderungsszene zwischen dem ukrainischen Staatspräsidenten Selenskyj und Aussenminister Ignazio Cassis auf dem Bundesplatz, die direkte Übernahme der Sanktionen gegen Russland, das alles spricht nicht gerade für Unparteilichkeit.

Schlimmer noch: Im Februar 2023 erklärte der Aussenminister in einem Interview mit den CH-Media-Zeitungen: Indem die Schweiz die EU-Sanktionen gegen Russland übernommen habe, habe sie sich klar auf die Seite des Westens gestellt. Das ständige Gejammer von Verteidigungsministerin Viola Amherd in der Öffentlichkeit, das Ausland verstehe nicht, dass die Schweiz aufgrund ihrer Neutralität die Wiederausfuhr von Kriegsmaterial in die Ukraine nicht genehmigen könne, macht es auch nicht besser. Auch die Entscheide im Parlament über das Einziehen von russischem Staatsvermögen oder etwa das kurvenreiche Agieren bei den indirekten Panzerlieferungen an die Ukraine haben die Neutralität der Schweiz in Mitleidenschaft gezogen. Wenn wundert es, dass Russland die Schweiz als Friedensvermittlerin schon Anfang 2023 ablehnte.

Sollte Russland nun tatsächlich bereits im Besitz eines Entwurfs der Schlusserklärung sein, wie dies Maria Sacharowa, die Sprecherin des russischen Aussenministers, vor Medien gesagt haben soll, wird die Friedenskonferenz auf dem Bürgenstock wohl definitiv zur Farce.