Wir wissen es mittlerweile alle: Sanija Ameti, Co-Präsidentin der Operation Libero (eine Art Anti-SVP-Aktionsgruppe), Gemeinderätin der Grünliberalen Partei in Zürich, mittlerweile bereits ehemaliges Mitglied des kantonalen Vorstands der Grünliberalen Partei, zuständig für PR, Juristin und PR-Fachfrau, inzwischen ja auch schon ehemalige Mitarbeiterin der PR-Agentur Farner, Zürich, hat eine glänzende provokative Selbstinszenierungsidee als eigene PR verwirklicht: Sanjia Ameti hat mit einer Sportpistole (wahrscheinlich Luftpistole fürs Zehn-Meter-Schiessen) auf das Bild einer Pietà, also Madonna mit Jesuskind, aus dem Auktionskatalog Koller geschossen. Sodann hat sie das Bild mit den vielfach durchschossenen Gesichtern von Maria und Jesus auf Instagram publiziert, zudem ein Foto von sich selber mit der Sportpistole im Anschlag, wie sie offenbar auf die religiösen Figuren schiesst.

Die grünliberale Politikerin Ameti ist, auch gerade in ihrer Eigenschaft als Co-Präsidentin der Operation Libero, Meisterin der politischen Provokation. Ziel einer politischen Provokation ist natürlich immer der Applaus all derer, die nicht das Ziel der Provokation sind. Es soll ja der eigenen PR dienen und Applaus der geneigten Kreise erzeugen.

Ebenfalls bekannt ist uns allen der dadurch ausgelöste Shitstorm. Als ein Blick-Reporter anrief und Frau Ameti darauf hinwies, dass sie mit ihrem Instagram-Post womöglich Hunderttausende in ihren religiösen Gefühlen verletzt habe, sagte sie, daran habe sie gar nicht gedacht, und es tue ihr sehr leid. Danach löschte sie den Instagram-Post.

Inzwischen hat bekanntlich die Parteileitung der Grünliberalen Partei reagiert: Parteipräsident Jürg Grossen betrachtet die Ausrede, Ameti habe gar nicht auf das Sujet des Bildes geachtet, geschweige denn jemanden verletzen wollen, wohl zu Recht als offensichtlichen Unsinn. Die Parteileitung der GLP hat ein Ausschlussverfahren in die Wege geleitet. Aus dem Kantonalvorstand ist Ameti mittlerweile zurückgetreten. Auch die Agentur Farner konnte sich – nach einer Überlegung von einigen Tagen – bessere PR vorstellen und trennte sich von Ameti.

Die Annahme, dass das Pietà-Bild mit vielfach durchschossenen Gesichtern von Maria und Jesus auf Social Media gestellt wurde, ohne sich der Bedeutung des Bildes bewusst zu sein, ist offensichtlich Unsinn. Hätte Ameti einfach ihre Schiesskünste demonstrieren wollen, so hätte sie auch ein Landschaftsbild oder ganz einfach eine Zielscheibe nehmen können.

Ameti muss sich klar bewusst gewesen sein, dass sie hier jedenfalls die Christen – die es ja in der Schweiz auch noch gibt – in ihrer religiösen Überzeugung schwer getroffen hat. Nicht ganz klar ist, wessen Applaus sie sich erhofft hat. Möglicherweise erwartet sie den Applaus aus islamitischen Kreisen. Aber oh Schreck: Auch der Applaus von dieser Seite blieb völlig aus. Hier mag man Frau Ameti eine Wissenslücke zugutehalten: Es war ihr vielleicht nicht bewusst, dass Jesus und Maria auch dem Islam heilig sind. Jesus wird im Islam als einer der grossen Propheten und Gesandten Gottes verehrt. Der Koran, die heilige religiöse Schrift des Islam, erwähnt ihn in fünfzehn Suren und 108 Versen. Auch die unbefleckte Empfängnis Marias ist im Koran mitverankert: «Sie sagte: Mein Herr, (wie) soll mir ein Sohn (geboren) werden, wo mich doch kein Mann berührte? Er sprach: Allah schafft ebenso, was Er will; wenn Er etwas beschlossen hat, spricht Er nur zu ihm: ‹Sei!› Und es ist.» (Sure 3: 47) Der Koran sieht Jesus als Boten Gottes. Der Kern der Botschaft Jesus im Koran lautet: «Gott ist mein Herr und euer Herr, so dient ihm, das ist ein gerader Weg.» (Sure 3: 51)

Das ist für jedermann und jedefrau im Internet nachzulesen, auch ohne den Koran zur Hand zu nehmen. Das führte dazu, dass der Shitstorm gegen Ameti überhaupt nicht von Applaus unterbrochen war. Mittlerweile erhält Ameti gemäss Schweizer Zeitungen sogar Polizeischutz. Etwas, worauf normalerweise Politiker – auch wenn sie in einen Shitstorm geraten – vergebens hoffen. Auf jeden Fall ist auch solcher Polizeischutz oder die Erwähnung des Polizeischutzes gut für die PR von Frau Ameti.

Nun stellt sich schon die Frage, ob Frau Ameti damit, dass sie das Pietà-Bild zerschossen und das Bild mit den x-fach durchschossenen Gesichtern der Maria und des Jesuskindes auf Instagram gestellt hat, einen Straftatbestand erfüllt.

Unter diesem Aspekt ist vor allem Artikel 261 StGB – Störung der Glaubens- und Kultusfreiheit – relevant: «Wer öffentlich und in gemeiner Weise die Überzeugung anderer in Glaubenssachen, insbesondere den Glauben an Gott, beschimpft oder verspottet oder Gegenstände religiöser Verehrung verunehrt, wer eine verfassungsmässig gewährleistete Kultushandlung böswillig verhindert, stört oder öffentlich verspottet, wer einen Ort oder Gegenstand, die für einen verfassungsmässig gewährleisteten Kultus oder für eine solche Kultushandlung bestimmst sind, böswillig verunehrt, wird mit Geldstrafe bestraft.»

Die Strafandrohung ist also nicht sehr hoch, es handelt sich um eine Geldstrafe. Meines Erachtens ist es allerdings eindeutig, dass Frau Ameti mit ihrem Vorgehen die Überzeugung anderer in Glaubenssachen, insbesondere den Glauben an Gott, beschimpft oder verspottet, oder Gegenstände religiöser Verehrung verunehrt hat.

Dass das Bild offenbar aus einem Auktionskatalog stammt und lediglich die Fotografie, aber nicht das Original der Pietà ist, spielt unter dem Aspekt von StGB Art. 261 keine Rolle. Mit dem Zerschiessen der Gesichter der Madonna und des Jesuskindes hat Ameti meiner Ansicht nach klar die Überzeugung vieler in Glaubenssachen – insbesondere den Glauben an Gott – beschimpft oder verspottet oder Gegenstände religiöser Verehrung verunehrt, wie es Art. 261 voraussetzt.

Der Art. 261 setzt Vorsatz voraus, es genügt aber auch sogenannter Eventualvorsatz. Der Täter muss sich dabei also grundsätzlich bewusst sein oder zumindest in Kauf nehmen, grob, verächtlich und niederträchtig religiös weltanschauliche Überzeugungen anderer zu verletzen beziehungsweise Gegenstände religiöser Verehrung zu verunehren.

Die Beschimpfung und Verspottung im Sinne von Art. 261 muss nicht zwingend verbaler Natur sein, sondern kann eben auch schriftlich, bildlich, zeichnerisch, fotografisch, in Filmaufnahmen oder durch entsprechende Handlungen, Gebärden etc. erfolgen. Das Zurschaustellen der in den Gesichtern durchschossenen Pietà-Darsteller und der eigenen Person mit der Pistole im Anschlag erfüllt den Straftatbestand meines Erachtens in klarer Form.

Dass sich Ameti nachträglich entschuldigt hat und vielleicht auch nicht realisiert hat, dass sie damit nicht nur die christliche Bevölkerung, sondern auch die islamische Bevölkerung trifft, mag sich auf die Strafzumessung auswirken. Mehr als eine moderate Geldstrafe wird beim Strafverfahren ohnehin nicht herausschauen.

Vielleicht fragt sich die vielversprechende Jungpolitikerin nun, ob sie nicht besser auf das Bild eines gegnerischen Politikers geschossen hätte und dieses Bild dann ins Internet gestellt hätte. Davon kann man ihr nur abraten. In solchen Fällen kämen nämlich sogar schwerere Tatbestände des Strafgesetzbuches zur Anwendung, wie etwa Aufforderung zur Gewalt und Aufforderung zum Verbrechen, abgesehen von Ehrverletzungsdelikten usw.

Die Provokation ist gelungen, seit längerem bereits sind die Kommentarsysteme der Schweizer Medien teilgesperrt. Sie lassen nur noch Kommentare zu im Tenor: «Lasst doch die arme junge Frau in Ruhe. Sie hat sich ja entschuldigt.»

Valentin Landmann ist Rechtsanwalt in Zürich.