Für viele Länder ist es ein Schock, nicht aber für Polen: Die Regierung warnt schon seit Jahren davor, dass Putin die Gaslieferungen nach Europa als Waffe einsetzen könnte.

Was in der EU stets mit einem süffisanten Lächeln abgetan wurde, ist nun Realität. Gazprom hat seine Gaslieferungen an Polen eingestellt.

Hätte Putin den Polen vor zehn Jahren den Gashahn zugedreht, wäre heute die Panik riesengross – das Land war den russischen Gaslieferungen damals hilflos ausgesetzt.

Doch die PiS-Regierung wollte sich aus der Abhängigkeit lösen: Vor sieben Jahren nahm sie den Flüssig-Erdgas-Terminal in Świnoujście (Swinemünde) in Betrieb. Er deckt heute rund einen Drittel des polnischen Gasbedarfs, der sich auf 20 Milliarden Kubikmeter jährlich beläuft.

Polen besitzt darüber hinaus eigene Erdgasfelder, die in den letzten Jahren immer intensiver genutzt werden und mittlerweile 20 Prozent des polnischen Bedarfs decken.

Das wichtigste polnische Projekt ist aber die sogenannte Baltic Pipe, eine Erdgasleitung, die von Norwegen über Dänemark durch die Ostsee bis nach Polen reicht. Im Oktober dieses Jahres, genau zu Beginn der kritischen Wintersaison, soll die Baltische Röhre in Betrieb genommen werden. Mit ihr können bis zu 10 Milliarden Kubikmeter Erdgas nach Polen gepumpt werden, was der Hälfte des polnischen Bedarfs entspricht.

Erwähnenswert ist zudem, dass Polen penibel darauf achtet, dass die Gaslager stets gut gefüllt sind. Während diese Lager in der EU im Durchschnitt nur zu 30 Prozent voll sind, beträgt der entsprechende Wert in Polen 78 Prozent – Tendenz steigend.

Erdgas-Terminal, Baltic Pipe, gefüllte Gaslager: All das macht Polen von Russlands Energie komplett unabhängig.

Doch damit nicht genug: Polen baut jetzt zusätzliche Gasleitungen nach Deutschland, Litauen und in die Slowakei, um im Ernstfall auch von dort Gas zu beziehen beziehungsweise von Polen in diese Länder zu liefern. Denn bald wird der nächste Flüssiggas-Terminal in Danzig betriebsbereit sein, wodurch Polen zu einem der grössten Erdgas-Exporteure innerhalb der EU aufsteigen wird.