Der Skandal um die mutmassliche Lüge der deutschen Aussenministerin beim Demokratiefest in Berlin vom 26. Mai zieht immer weitere Kreise. Englischsprachige Medienportale haben begonnen, darüber zu berichten, und auch den Sprecher der israelischen Armee danach befragt, der die Version von Baerbock ebenfalls nicht bestätigen wollte. Selbst Grünen-nahe Zeitungen wie die Taz fangen an, die Darstellung der Ministerin zu hinterfragen. Die Nachdenkseiten wollten vor diesem Hintergrund auf der aktuellen Bundespressekonferenz wissen, ob das Auswärtige Amt diesen im Raum stehenden Vorwurf der Lüge ausräumen und zum Zwecke der journalistischen Verifizierung darlegen könne, wann, wo und in Begleitung welcher weiteren Vertreter des Auswärtigen Amtes Baerbock das besagte «Vergewaltigung bei laufender Kamera»-Video gesehen hat. Die Antwort kommt einem Eingeständnis gleich. Von Florian Warweg, der diesen Text zuerst auf dem Online-Portal Nachdenkseiten publizierte.

Wie die Nachdenkseiten bereits am 3. Juni berichteten, hat Aussenministerin Annalena Baerbock mutmasslich gelogen, um Kritiker an ihrer einseitigen Israel-Unterstützung auf dem sogenannten Demokratiefest am 26. Mai in Berlin (anlässlich des 75. Jahrestags des Grundgesetzes) zum Schweigen zu bringen. Sie hatte damals mit betont theatralischer Gestik und Mimik erzählt, ihr sei in Israel ein Film gezeigt worden, bei dem sie gesehen habe, wie Hamas-Kämpfer bei laufender Kamera eine Frau vergewaltigt hätten, und den Kritikern im Publikum entgegnet: «Wollen Sie immer noch bei vergewaltigten Frauen dazwischenschreien?»

Die fragliche Darstellung von Baerbock ist hier zu Beginn des Videos einsehbar:

Die deutsche Aussenministerin steht bis zum heutigen Tage mit dieser Darstellung allein auf weiter Flur. Sowohl eine extra entsandte Uno-Mission unter Leitung der UN-Sonderbeauftragten für sexuelle Gewalt in Konflikten, Pramila Patten, als auch Vertreter der israelischen Armee und des Geheimdienstes kamen zu dem Schluss, dass das bis zum jetzigen Zeitpunkt vorliegende und untersuchte Videomaterial «keine visuelle Dokumentation von Vergewaltigungen enthält».

Die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu Agency fragte mit Verweis auf die «Vergewaltigungs-Video»-Äusserungen von Baerbock beim Sprecher der israelischen Armee, Avichay Adraee, nach, ob dieser die Darstellung der bundesdeutschen Aussenministerin bestätigen könne. Was der IDF-Sprecher nicht tat. Seine vielsagende Antwort:

«Ich kann mich dazu (Baerbocks Äusserungen) nicht offiziell äussern. Ich kann das nicht kommentieren, also kann ich es weder bestätigen noch dementieren.»

Selbst die sonst Baerbock sehr zugewandte und als Grünen-nah geltende Taz schreibt in einem Artikel vom 5. Juni:

«Die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock sagte jüngst bei einer Veranstaltung in Berlin, sie habe das Video einer Vergewaltigung gesehen, die sich beim Hamas-Angriff am 7. Oktober ereignet habe. Das war überraschend, denn die Existenz eines solchen Videos war bislang nicht bekannt.»

Weiter führt der deutsch-israelische Autor des Stückes, Yossi Bartal, aus, dass er auf seine schriftliche Anfrage, wo die Aussenministerin das Video gesehen habe, keinerlei konkrete Auskunft erteilt bekommen habe. Ihm sei lediglich mitgeteilt worden, es gebe «überhaupt keinen Zweifel, dass die Hamas bei ihrem Terrorangriff auf Israel Frauen missbraucht und vergewaltigt» habe.

Halten wir fest:

1. Alle relevanten Stellen bei den Vereinten Nationen und den israelischen Behörden erklären, dass auch nach ausführlicher Untersuchung kein Bildmaterial einer Vergewaltigung durch Hamas-Kämpfer, wie von Baerbock behauptet, vorliegt. Verwiesen sei beispielhaft auf die Aussage im Abschlussbericht der Sondergesandten des Uno-Generalsekretärs für sexuelle Gewalt in Konflikten nach Durchsicht von Tausenden Fotos und Videos, bereitgestellt von der israelischen Regierung:

«Bei der gerichtsmedizinischen Bewertung der verfügbaren Fotos und Videos konnten keine greifbaren Hinweise auf Vergewaltigungen festgestellt werden.»

2. Antworten auf Anfragen von Journalisten (Nachdenkseiten am 29. Mai und am 5. Juni, Taz oder auch der freie Journalist Hans Jessen am 31. Mai) beim Auswärtigen Amt, wann und wo die Ministerin das angebliche Video gesehen hat, wurden bisher grundsätzlich verweigert.

All die aufgeführten Punkte sprechen dafür, dass die amtierende deutsche Aussenministerin tatsächlich die Videosequenz einer Vergewaltigung durch Hamas-Kämpfer erfunden hat, um Kritiker zum Schweigen zu bringen und gleichzeitig ihre extrem einseitige Israel-Politik zu rechtfertigen. Sie hat damit nicht nur den tatsächlichen Opfern sexueller Gewalt einen Bärendienst erwiesen. Sie stellt sich damit auch in eine sehr unappetitliche deutsche Traditionslinie der Verbreitung von Gräuelpropaganda. Es sind schon Minister für weit weniger zurückgetreten …

Auszug aus dem Wortprotokoll der Bundespressekonferenz vom 5. Juni 2024

Frage Warweg: Herr Fischer, nach wie vor steht der Vorwurf im Raum, dass Aussenministerin Baerbock beim Demokratiefest am 26. Mai gelogen hat, als sie behauptet hat, sie habe eine Videosequenz gesehen, auf der man bei laufender Kamera die Vergewaltigung einer Frau durch Hamas-Kämpfer sehen könne. Sowohl die verantwortliche UN-Stelle als auch israelische Behörden verneinen die Existenz einer solchen visuellen Bestätigung.

Können Sie diesen Vorwurf denn jetzt ausräumen und uns zwecks journalistischer Verifizierung auch sagen, wann, wo und in Begleitung welcher weiteren Vertreter des Auswärtigen Amtes sich Frau Baerbock diese Sequenz angeschaut hat?

Fischer, Auswärtiges Amt (AA): Genau diese Fragen haben Sie meinem Kollegen Christian Wagner schon gestellt. Es war auch Gegenstand einer weiteren Bundespressekonferenz. Sie können im Protokoll nachschauen, oder schauen Sie sich einfach Ihr eigenes Video an. Dann haben Sie die Antworten.

Zusatzfrage Warweg: Entschuldigen Sie, mittlerweile hat sich das wirklich zu einer internationalen Krise ausgeweitet; internationale Medien berichten darüber. Ein IDF-Sprecher hat erst kürzlich erneut gesagt, er kann das nicht bestätigen. Meine Frage lautete ganz deutlich: Wann, wo und in Begleitung welcher weiteren AA-Repräsentanten wurde dieses Video gesehen? Das hat Herr Wagner in der letzten Woche weder mir noch dem Kollegen Jessen beantwortet. Deswegen erwarte ich nun eine Antwort. Ich glaube, es ist journalistisch völlig legitim zu fragen, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Lokalität die Aussenministerin dieses Video gesehen hat, das jetzt für so viel Furore sorgt.

Fischer (AA): Herr Warweg, ich sehe keine Krise und verweise auf das, was mein Kollege gesagt hat.

Zusatz Warweg: Der hat aber nichts gesagt.

Fischer (AA): Das ist Ihre Interpretation. Aus meiner Sicht hat er auf Ihre Frage geantwortet.