Vieles deutete auf einen knappen Ausgang der Präsidialwahlen in Argentinien hin. Der Entscheid an den Urnen fiel überraschend deutlich aus: 55,7 Prozent für den libertären Javier Milei, 44,3 Prozent für den Linkspopulisten Sergio Massa von den regierenden Peronisten. Lediglich 1,5 Prozent legten einen leeren Stimmzettel ein.

In Anbetracht der katastrophalen wirtschaftlichen Lage des zweitgrössten Landes in Südamerika mag das Resultat logisch erscheinen.

Doch Sergio Massa, der amtierende Wirtschaftsminister, ein begnadeter Demagoge und gnadenloser Populist, zog alle Register: Vor den Wahlen liess er den offiziellen Peso-Wechselkurs sowie die Preise für Grundnahrungsmittel und Treibstoffe einfrieren, er verteilte «Bonuszahlungen» aus der Staatskasse an Millionen von Rentnern und Bedürftige, verfügte Steuererlasse. Brasilien und China unterstützten den Wahlkampf des Genossen mit Milliardenkrediten an den bankrotten Staat.

Der Newcomer Milei, ein mittelmässiger Redner, bot dagegen nur Schweiss und Tränen. Die von ihm gepriesene Entfesselung der Märkte mag die heruntergewirtschaftete Nation mittelfristig wieder zur Blüte bringen. Doch kurzfristig müssen sich die Argentinier auf harte Zeiten gefasst machen.

Das Wahlresultat ist insofern sensationell, als erstmals in der Geschichte Lateinamerikas ein Kandidat mit einem kompromisslos libertären Programm eine Wahl gewinnt. In der Regel stehen in dieser Weltgegend nicht Ideologien im Zentrum, sondern Volkstribune, die alles Mögliche und vor allem Unmögliches versprechen. Milei dagegen steht für eine klassische liberal-konservative Denkschule.

Die sozialistische Renaissance in Südamerika hat ihren Zenit überschritten. Ob Petro in Kolumbien, Boric in Chile, Lula in Brasilien, Arce in Bolivien oder Boluarte in Peru – die linken Regierungen sind unpopulär und sehen sich mit Versprechen konfrontiert, welche sie nicht einlösen können. Ganz zu schweigen von Maduros sozialistischer Hungerdiktatur in Venezuela.

Die grosse Frage ist, ob Milei die Kraft hat, das Steuer herumzureissen. Eine Mitte-rechts-Koalition unter der Führung von Patricia Bullrich und Mauricio Macri haben ihm volle Unterstützung zugesagt. Doch vom Versprechen zur Tat ist es ein weiter Weg.