Der deutsche Mittelstand verlagert «still und leise» seine Zukunftsinvestitionen ins Ausland, warnt der Vorstandsvorsitzende der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), Rainer Neske. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erklärt Neske, dass dies nicht aus mangelnder Verbundenheit zum Standort geschehe, sondern aufgrund drückender Herausforderungen wie hoher Unternehmenssteuern und komplexer Bürokratie.

Während die USA versuchten, Arbeitsplätze zurückzuholen, und China sich als Exporteur hochwertiger Güter etabliere, kämpfe Deutschland mit einem Komfortlevel, das aufgrund von Sozialgesetzgebung, Steuerlast und bürokratisierten Prozessen zunehmend als Hemmnis wirke.

«Wir haben jetzt noch ein historisches Fenster, die Unternehmen hier zu halten», warnt Neske. Er weist darauf hin, dass viele Familienunternehmen in der dritten oder vierten Generation operierten und die lokale Verwurzelung zurückgehe. «Wenn die Verantwortlichen nur noch nach Standortfaktoren entscheiden und nicht mehr nach persönlicher Verbundenheit, ist es zu spät», so Neske.

Der LBBW-Chef kritisiert auch den «ordnungspolitischen Kompass» der Politik, der während der Corona-Pandemie und darüber hinaus verlorengegangen sei. Die Politik muss wieder mehr Vertrauen in die Wirtschaft setzen und sich auf das Wesentliche konzentrieren. «Wir können es uns nicht leisten, auf diesen heilsamen Schock zu warten», fordert Neske und betont: «Die Zukunft des Wirtschaftsstandorts liegt in unserer Hand.»