Der erste Kriegsverbrecherprozess gegen einen russischen Soldaten durch ukrainische Staatsanwälte vor einem ukrainischen Gericht wirft sowohl moralische als auch praktische Fragen auf. Moralisch gesehen stellt sich die Frage, ob ein angeklagter russischer Soldat in einem Land, das durch die nackte Aggression und die gezielten Angriffe auf die Zivilbevölkerung so schwer geschädigt wurde, überhaupt ein faires Verfahren erwarten kann. Praktisch gesehen stellt sich die Frage, ob die ukrainische Regierung gezwungen sein wird, verurteilte russische Soldaten gegen ihre eigenen Soldaten und Bürger auszutauschen, die sich jetzt in russischer Gefangenschaft befinden.

Selbst wenn die Antwort auf die erste Frage «nein» und auf die zweite Frage «ja» lautet, ist es verständlich, dass die ukrainischen Behörden darauf bestehen, diese Prozesse vor ihren eigenen Gerichten und nicht vor internationalen Gerichten wie dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag zu führen. Selbst wenn die Ukraine russische Soldaten an die Ankläger des IStGH ausliefern würde, würde viel Zeit verstreichen, vielleicht sogar Jahre, bis die Prozesse beginnen.

Ausserdem verlieren die ukrainischen Behörden die Kontrolle über die Angeklagten, sobald sie dem IStGH übergeben werden. Damit entgeht ihnen die Möglichkeit, sie gegen ihre eigenen Bürger auszutauschen. Wenn der IStGH russische Kriegsverbrecher vor Gericht stellt, könnten seine Staatsanwälte unter Druck gesetzt werden, Ermittlungen gegen ukrainische Soldaten einzuleiten, die die Russen mit Sicherheit (selbst wenn zu Unrecht) ebenfalls wegen Verbrechen anklagen werden. So war es auch im Falle des ehemaligen Jugoslawien. Schliesslich könnte Russland die Zuständigkeit des IStGH für seine Soldaten anfechten, da es den Vertrag von Rom nicht unterzeichnet hat. Es besteht indessen kein Zweifel, dass die Ukraine für Verbrechen zuständig ist, die auf ihrem Hoheitsgebiet begangen wurden.

Abgesehen von all diesen juristischen Fragen liegt der Vorteil eines sofortigen Prozesses in der Ukraine darin, dass er eine Botschaft an Russland, an die russischen Soldaten und an die Welt sendet. Diese Botschaften sollen vor weiteren Kriegsverbrechen abschrecken, indem sie die von den ukrainischen Behörden gesammelten Beweise und die Entschlossenheit zeigen, die Verbrecher zur Rechenschaft zu ziehen, selbst wenn sie letztlich ausgetauscht und freigelassen werden. Die Gerechtigkeit wird wegen der Voreingenommenheit der Opfer und der Wahrscheinlichkeit eines Austauschs zwar nicht perfekt sein. Aber unvollkommene Gerechtigkeit ist immer noch besser als keine Gerechtigkeit.

Alan Dershowitz ist emeritierter Professor für Rechtswissenschaft an der Harvard University. Er zählt zu den bekanntesten Strafverteidigern der USA.

Die 3 Top-Kommentare zu "Ein russischer Soldat wurde von einem ukrainischen Gericht wegen Kriegsverbrechen zu lebenslanger Haft verurteilt. Konnte er einen fairen Prozess erwarten?"
  • Anna Meier

    Wann werden die ukrainischen Kriegsverbrecher in der Ukraine vor Gericht gestellt? Und die ukrainischen Truppen, die zivile Einrichtungen und Zivilisten als Schutzschilder benutzen? Gerechtigkeit ist kaum das, was dieser amerikanische ehemalige Professor uns glauben machen will.

  • b.ulrich

    Dieser Artikel ist völlig daneben. Er ist ideologisiert. Kriegsverbrechen der ukrainische Armee werden verschwiegen, damit die Waffenlieferung nicht ins stocken kommt. Ukrainer haben sich ausnutzen lassen gegen die Russen. Ihr Hass gegen Russland hat ihnen den Verstand geraubt. Sie werden nie wieder ihr Land zurückerhalten. Der dumme Selenski und seine Olegarchen haben den ukrainischen Staat vernichtet. Sie haben sich von den USA gegen Russland benutzen lassen. Hätten sie sich bereiterklärt

  • b.ulrich

    Und was ist mit den Kriegsverbrechen der Ukrainer. Die dürfen Kriegsverbrechen begehen. Ihre eigenen Leute schützen sie vor Strafverfolgung.