Sicher, kein Mensch kann etwas für sein Aussehen, aber Ruslan Stefantschuk ist weiss Gott kein Sympathieträger. Auch nicht auf den zweiten oder dritten Blick. Riesig, massig, untersetzt könnte der Präsident des ukrainischen Parlaments sogar seinen boxenden Landsleuten, den Klitschko-Brüdern, Angst einjagen.

Doch hinter dem Äusseren eines Rausschmeissers in einem anrüchigen Club verbirgt sich ein Mann von hoher Intelligenz, gepaart mit politischem Scharfsinn und kaltem Machtinstinkt. Auf alle Fälle hinterlässt der studierte Jurist und Jura-Professor, wo immer er auftaucht, einen bleibenden Eindruck. Wie auch nun bei seinem Besuch in Bern und im Bundeshaus.

Nach der Verfassung ist Stefantschuk als Präsident der Rada der zweite Mann im Staat. Sollte Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj etwas zustossen, würde er vorübergehend dessen Amt einnehmen. Sarkastisch hat ihm Kremlchef Wladimir Putin diesen Posten schon zugesprochen. Denn de jure ist Selenskyj nicht mehr im Amt, weil nach dem Auslaufen seines Mandats im Mai keine Wahlen stattfanden.

Stefantschuk freilich lässt solche Giftpfeile an sich abprallen. Er ist einer der engsten Vertrauten Selenskyjs, seit er für diesen bei den Wahlen 2019 das Wahlprogramm geschrieben hat. Der Präsident hatte damals mit dem Versprechen, Frieden mit Russland zu schliessen, einen Erdrutschsieg errungen. Davon ist nicht mehr die Rede, auch nicht bei Stefantschuk, der eine beinharte Linie gegenüber Moskau verfolgt.

Das ist nicht überraschend, schliesslich gilt er als Chefideologe der Präsidentenpartei «Diener des Volkes». Welch aberwitzige Theorien er verfolgt, enthüllte er Ende vergangenen Jahres, als er über den Status ethnischer Minderheiten in der Ukraine philosophierte. Deren Behandlung war und ist immer wieder ein Zankapfel zwischen Kiew und den Regierungen in Budapest, Bukarest und Athen, denn im Land leben teilweise beträchtliche Gruppen von Ungarn, Rumänen und Griechen.

Die grösste ethnische Minderheit freilich stellen die Russen dar, fast ein Fünftel der Gesamtbevölkerung. Geht es allerdings nach Stefantschuk, so haben sie in dem Moment als Minderheit aufgehört zu existieren, in dem russische Truppen ins Land einmarschierten. «Wenn diese Leute der Ukraine Aggression statt Respekt zeigen», so der Parlamentspräsident, «sollten auch ihre Rechte entsprechend unterdrückt werden.» Es könne keine russische Minderheit mehr geben.

Mit solchen Sprüchen stellt man eines sicher: Dass Moskau die Kämpfe nicht einstellen wird.