Am 31. Oktober 2024 fand in den Sofiensälen in Wien ein geopolitisches Gipfeltreffen zwischen Ungarns Premierminister Viktor Orbán und dem früheren deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder statt. Der Anlass wurde von Roger Köppel, Verleger und Chefredaktor der Weltwoche, moderiert.

Gegen 500 Gäste und 50 Medienvertreter verfolgten die spannende Diskussion zum Thema «Frieden in Europa». Für Roger Köppel war es eine besondere Freude, als neutraler Schweizer im neutralen Österreich zwei europäische Staatsmänner zu begrüssen. Der eine, herausragender Sozialdemokrat mit eindrücklichem Werdegang, hatte den Mut, als brillanter Reformpolitiker die Interessen seines Landes über seine Karriere, sein Amt und seine Partei zu stellen. Auf der anderen Seite setzt sich der aktuelle Präsident des EU-Rats, ein Freiheitskämpfer der ersten Stunde auf den Barrikaden gegen die sowjetischen Besatzer, für Diplomatie und Frieden in Europa ein.

Die beiden Spitzenpolitiker Orbán und Schröder kennen und schätzen sich seit vielen Jahren. Orbán würdigte Schröder als Staatsmann, der noch die strategische Autonomie Europas verteidigt und die deutsche Wirtschaft gerettet habe. Gerhard Schröder wiederum unterstützt Orbáns Friedensinitiativen und würde sich wünschen, das übrige Europa würde sich diesen anschliessen.

Schröder äusserte die Ansicht, dass der Krieg durch Diplomatie beendet werden sollte. Die Friedensverhandlungen in Istanbul vom Frühling 2022 seien gescheitert, weil der britische Premier Boris Johnson diese sabotiert habe, meinte Orbán. Warum genau das geschehen sei, werde die Geschichte zeigen. Angesprochen, warum er mit seiner Friedensmission in Kiew, Moskau, Peking und Mar-a-Lago die EU in helle Aufregung versetzt habe, meinte Orbán: Er habe versucht, sein EU-Rats-Präsidium für eine Friedensinitiative zu nutzen, statt hundert Gespräche zu führen und sich von den Brüsseler Bürokraten auf die Schulter klopfen zu lassen. Schröder meinte dazu: «Wer, wenn nicht die EU, soll handeln?» Orbán dürfe bei seinem Bestreben nicht allein gelassen werden. Immerhin habe er damit erreicht, dass in Europa wieder über den Frieden gesprochen werde.

Sowohl Schröder wie Orbán sind der Überzeugung, dass Russland militärisch nicht geschlagen werden kann. Die Zeit arbeite gegen Selenskyj, Russland werde diesen Krieg gewinnen. Bevor eigentliche Friedensverhandlungen möglich seien, müsse ein Waffenstillstand geschlossen werden. Aber die EU verkenne die Realität und glaube immer noch an einen Sieg der Ukraine.

Den Vorwurf des Appeasements gegen einen Imperialisten wiesen beide Politiker zurück. Laut Orbán gilt es, sich der Realität zu stellen: «Dieser Krieg ist für die Ukraine, die immer mehr in Trümmern liegt, verloren!» Das sei, was zähle und nicht die Träumerei eines militärischen Sieges. Beide betonten, dass dabei Europa seine Interessen besser vertreten muss. Schröder hielt fest, dass Deutschland bei den notwendigen Friedensbemühungen eng mit Frankreich zusammenarbeiten sollte.

Was die amerikanischen Präsidentschaftswahlen vom 5. November betrifft, liessen beide Politiker verlauten, dass sie sich eine Wahl von Donald Trump erhoffen. Dieser werde sofort mit Putin verhandeln, was Trump heute auch in einem Telefongespräch mit Orbán bekräftigt habe. Doch die Europäer sässen dann in einer Ecke, während die «grossen Jungs» am Tisch verhandeln.

Die Zukunft sieht Viktor Orbán düster. In Europa sei das Gas viermal und der Strom zweimal so teuer wie in den USA. Daran werde die Wirtschaft «verrecken». Gerhard Schröder sieht in der deutschen Wirtschaft noch immer Stärken. Er ist überzeugt, dass die Politiker und die Menschen Lösungen wollen und dass sich die Vernunft schliesslich durchsetzen werde.