Demokratie ist anstrengend. Und das vor allem für jene, die sie gepachtet zu haben glauben. Wer sich beim Gespräch von AfD-Chefin Alice Weidel und Tech-Milliardär Elon Musk am Donnerstagabend auf X (vormals Twitter) einklinkte, durfte einem eher biederen Geplänkel zweier Gleichgesinnter beiwohnen. Wie so oft bei Events der Marke fangirl meets fanboy bestätigten sich da zwei vor allem in ihrem Willen, den etablierten Politikbetrieb aufmischen, ablösen, zerschlagen zu wollen. Details spielten da eher weniger eine Rolle.

Viel interessanter war eigentlich der Rummel, den die AfD-Gegner im Vor- und Umfeld des Talks veranstaltet hatte. Da sollen etwa 150 EU-Beamte zugeschaltet gewesen sein, um zu hören, ob der US-Multi und X-Eigentümer etwa gegen den Brüsseler «Digital Services Act» verstiesse. Welche Straftaten man sich da im Einzelnen erwartete, bleibt einstweilen ebenso schleierhaft wie die Aufregung der Bundestagsverwaltung, die in dem Geplauder eine illegale Wahlkampfspende zu erkennen und zu prüfen versuchte.

Allein die Tatsache, dass im Voraus immer wieder die mehr als 200 Millionen Follower von Musk als vermeintliche Reichweite ins Feld geführt wurden, zeigt, wie gefuchst der aufgescheuchte Hühnerhaufen ist: Schliesslich konnte man vorher ahnen, dass die Millionen Musk-Freunde in Übersee, auf den Philippinen oder im südlichen Afrika an dem Plausch mit der Weidelin nur so mittel interessiert sein würden.

Inhaltlich warfen sich die beiden Plaudertaschen freundlich die Bälle zu. Weidel wiederholte ihren Spruch, wonach Angela Merkel die erste grüne Kanzlerin gewesen sei und Deutschland ruiniert habe. Musk beschwerte sich über die deutsche Bürokratie, die im Falle seiner Tesla-Fabrik in Brandenburg mehr als 25.000 Blatt plus Kopien betragen habe. Dass die AfD in der Projektphase noch gegen den Tech-Unternehmer wetterte, weil Musk angeblich den Menschen Chips ins Hirn pflanzen wolle und die unberührte Natur der Märkischen Heide zerstöre – geschenkt. Schnee von gestern.

Zu einiger Aufregung bis in die deutsche «Tagesschau» trug Weidels Exkurs bei, Hitler sei ein Linker und gewissermassen Kommunist gewesen. Da ist zwar durchaus etwas dran, wie schon Joachim Fest in seiner berühmten Hitler-Biografie 1973 belegen konnte, alles in allem zerschellt die historische Wahrheit der antikapitalistischen Anfänge der NSDAP aber am öffentlich fest zementierten Antifa-Narrativ, wonach Braun mit «rechts» gleichgesetzt wird. Selbst die Parole «Der Feind steht rechts» wurde von der NSDAP und der Hitlerjugend zuweilen benutzt, wie der Würzburger Historiker Peter Hoeres in seinem jüngsten Buch («Rechts und links. Zur Karriere einer folgenreichen globalen Unterscheidung») schreibt.

Das Fazit ist weit weniger spektakulär, als es von den selbsternannten «Demokraten» vorab gemacht wurde: Eine gut 70-minütige Plauderei transatlantischer Wahlkampf-Einigkeit, die sich weniger in programm-theoretischen Details artikuliert als in der tiefen Übereinkunft, dass sich von Wokeness bis Bürokratie, Klimaideologie bis Politikstil einiges auch in Deutschland und Europa ändern müsse. Schöne Grüsse von Donald Trump, von dem man die Befriedung des Ukraine-Konflikts erwartet. Irgendwie. Genaueres später.

Eines jedenfalls wurde am Donnerstagabend klar: Wer sich fragt, ob und wie die Trump-Wahl auf Europa und seine sogenannten populistischen Bewegungen wirkt, wie der Gleichklang im Geiste sich in aktiven Schub verwandelt, der ging durchaus klüger aus diesem Gespräch. Genau so.

Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen. Sein neues Buch «Der Siegeszug der Populisten. Warum die etablierten Parteien die Bürger verloren haben. Analyse eines Demokratieversagens» erscheint im Herbst und kann schon jetzt vorbestellt werden.