Die geopolitischen Risiken für Kapitalanlagen haben in den letzten Jahren massiv zugenommen. Aber das grösste Risiko wird immer noch geistig verdrängt.

Viele sorgen sich zwar um eine Eskalation des Ukraine-Krieges und die Wiederaufbaukosten, die wohl auch die europäischen Steuerzahler massiv beuteln werden. Auch der Gaza-Krieg und die importierte Kriminalität, seien es Clan- und Mafiabanden oder schlummernde Terroristen-Netzwerke, verunsichern. Andere fürchten höhere und neue Steuern zur Finanzierung des ökologischen Umbaus von Wirtschaft und Gesellschaft und der Aufrüstung Europas, angefangen bei Übergewinnsteuern und «einmaligen» Vermögensabgaben bis hin zu Erbschaftssteuern, Kriegszwangsanleihen etc.

Der Inflationsschub, der durch die Energiewende, Sanktionen und Gegenmassnahmen, aber auch durch Lieferkettenunterbrüche verursacht wurde, ist zwar abgeflacht, aber noch nicht bewältigt. Und schliesslich schwelt im Hintergrund ein Zwist zwischen China und Taiwan, denn die chinesische Regierung betrachtet Taiwan lediglich als abtrünnige Provinz und will das Land wieder enger an Peking binden. Dieser Gefahrenherd ist wohl das grösste Risiko für die Investoren.

Viele Europäer glauben, dass der Taiwan-Konflikt lediglich die fernöstlichen Bündnispartner und die Schutzmacht des Inselstaates, die USA, treffen würde. Die Frage, ob die USA im Falle eines gewaltsamen Zugriffs Chinas im Gegenzug ebenfalls militärisch gegen China vorgehen wird, wagt ohnehin niemand zu beantworten. Aus europäischer Sicht sind Militär- und Finanzhilfen an Taiwan wohl illusorisch, denn die Europäer sind bereits mit ihrem Ukraine-Engagement überfordert.

Selbst wenn Europa bei einer gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen den USA und China nicht direkt betroffen wäre, drohen Europa und auch der Schweiz grosse wirtschaftliche Einbussen, die auch die Kapitalmärkte erschüttern würden. Wie im Falle der russischen Aggression gegen die Ukraine werden die USA Sanktionen gegen China verhängen, denen sich alle übrigen westlichen Handelspartner anschliessen müssen, wollen sie nicht den Zugang zum amerikanischen Markt verspielen.

Für China ist Europa zwar auch ein wichtiger Handelspartner, aber die strategisch sensiblen Güter fliessen eher von China nach Europa denn umgekehrt. Wenn es zu Lieferkettenproblemen kommt, dann wird Europa weit stärker betroffen sein als die USA. Das hat bereits die Corona-Pandemie gezeigt. Ohne Zulieferungen aus China steht Europas Industrie still.

Europa würde mit Handelsrestriktionen gegen China auf einen Schlag nicht nur den wichtigsten Exportmarkt in Fernost verlieren, sondern müsste auch mit wirtschaftlichen Grossschäden durch Lieferkettenprobleme rechnen. Gemeint sind nicht nur Behinderungen der Verkehrswege, sondern Exportverbote Chinas für strategische Produkte, von Bunt- und seltenen Metallen über Solarpaneele bis zu Windrädern, Batterien etc. Auch die Lieferungen von Hochtechnologie aus Taiwan (Super-Chips) würden wohl eingestellt werden. Banken würden in ihrem Handlungsspielraum massiv eingeschränkt, und sie müssten den Zukunftsmarkt China ad acta legen. An den Zins- und Devisenmärkten würde Panik ausbrechen. Die Wirtschaftskrise würde Kreditausfälle in ungeahnter Höhe nach sich ziehen, und in der Bankenwelt könnte ein Dominoeffekt ausbrechen. Versicherungen würden mit Grossschäden konfrontiert. Die grossen Schweizer Logistikkonzerne, aber auch die Rohstoffhändler müssten sich dem amerikanischen Diktat unterwerfen. Viele Schweizer Unternehmen sind in China physisch präsent und müssten mit Beschlagnahmungen ihrer Fabrikationsanlagen durch China rechnen.

Die wirtschaftlichen Einbussen für Europa und die Schweiz würden bei einem Ausbruch eines Taiwan-Krieges wohl weit höher ausfallen als infolge des Ukraine-Krieges, denn im Vergleich zu China ist Russland ein Zwerg und wirtschaftlich für Europa lediglich für Energielieferungen von Bedeutung. Ob die Schweiz gegen diese latenten Probleme gewappnet ist, muss doch bezweifelt werden.