Niemand mag eine nervöse Hand am Drücker, und als die Chefin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, jetzt eine sanfte Zinssenkung in der Euro-Zone ankündigte, atmete deswegen das Heer der Beobachter auf: Madame hat ein bisschen was bewegt, damit die Konjunktur wieder Fahrt aufnehmen kann. Aber sie hat nicht zu viel gemacht, auf dass die Inflation nicht ins Kraut schiesst. Alles in Ordnung also. Gut gemacht.

Gut gemacht?

Christine Lagarde macht gerade den gleichen Fehler zum zweiten Mal. Jetzt nur umgekehrt. Erst wartete sie viel zu lang, bis sie ihrem wichtigsten Ziel, nämlich den Geldwert stabil zu halten, die gebührende Priorität einräumte und die Zinsen endlich anhob. Und jetzt, wo sich die Inflation gezähmt, aber die Konjunktur natürlich abgewürgt zeigt, ist sie wieder nicht entschlossen dabei, die Zinsen zu senken und die Konjunktur wieder in Fahrt zu bringen.

Dabei ist die Geldpolitik selten so gefragt wie jetzt, um die Volkswirtschaften zu stützen. Sie stecken in einem brutalen Strukturwandel: Die Klimapolitik verlangt massive Investitionen von der Industrie, der Krieg kostet tonnenweise Geld, und mit KI kommt die nächste technologische Revolution um die Ecke. Wer jetzt nicht investieren kann, ist morgen nicht mehr dabei. Da ist es mit einem handzahmen Schrittchen bei den Zinsen und der Aussicht, dass es dabei erst mal bleibt, längst nicht getan.