Die fortschreitende Verbreitung von Nuklearwaffen ist ein sehr ernsthaftes Problem. Nach dem chaotischen Zerfall der Sowjetunion bestand die echte Gefahr, Atomwaffen könnten in die Hände von islamistischen Terrorgruppen gelangen. Dazu ist es bis jetzt nicht gekommen. Doch an Staaten, welche die Bombe bereits haben oder sie gerne hätten, fehlt es leider nicht.

Man glaubte vor über fünfzig Jahren, das Problem damit lösen zu können, dass die bestehenden Atommächte – die fünf permanenten Mitglieder des Uno-Sicherheitsrats – ihre Nuklearwaffen behalten, aber keine neuen Atomwaffenstaaten entstehen dürfen. Die Schweiz hatte unter Leitung des bedeutenden Physikers Paul Scherrer in aller Stille ihr eigenes, rein defensives und weit fortgeschrittenes Nuklearwaffenprogramm entwickelt. Sie schloss sich unter internationalem Druck dem Nonproliferationsabkommen von 1968, dem sogenannten Atomsperrvertrag, an und liquidierte ihr Projekt. Dies, obwohl das Land sechs Jahre zuvor eine sozialistisch-kommunistisch inspirierte Verbotsinitiative mit überwältigendem Mehr bachab geschickt hatte. Erst viel später verzichtete auch Südafrika auf sein eigenes Atomwaffenprogramm.

Gescheitertes Abkommen von 1968

Das Nonproliferationsabkommen von 1968 ist gescheitert. Israel, Indien, Pakistan, Nordkorea und wohl bald auch der Iran haben die Bombe. Weitere werden dazustossen, etwa Saudi-Arabien, das sich zwar nicht vor Israel, aber vor dem Iran fürchtet. Die Mullahs tanzen den Atommächten und Deutschland, die Irans Nuklearwaffe verhindern möchten, seit bald zehn Jahren auf der Nase herum und betrügen nach Strich und Faden. Trump und Biden nannten das Kind beim Namen, doch die Europäer halten immer noch ihre Wünsche für die Realität.

Das ist eine unerfreuliche Situation, und guter Rat scheint teuer. Wenn da nicht Grossmächte wie Costa Rica und Neuseeland wären, die unter dem Einfluss einer privaten Organisation namens ICAN (International Campaign to Abolish Nuclear Weapons) zur Tat schritten: 122 Uno-Mitglieder, alles nukleare Habenichtse, verabschiedeten 2017 ein Abkommen, das Atomwaffen kurzerhand verbietet. So einfach ist das! Nur die Niederlande hatten den Mut abzulehnen, 69 andere Länder, darunter sämtliche legitimen und illegitimen Nuklearstaaten, enthielten sich. ICAN erhielt den längst politisierten und entwerteten Friedensnobelpreis. 68 Staaten sind unterdessen Vertragsparteien geworden – keiner aus der Nato. Aus Europa lediglich Österreich und Irland. Das Abkommen ist nichts als heisse Luft.

Dem Druck standhalten

Der Bundesrat entschied 2018, noch vor Inkrafttreten des Abkommens, völlig zu Recht, die Schweiz da herauszuhalten. Zum einen ist die schweizerische Vorleistung von 1968, der Verzicht auf unser verantwortungsbewusstes Nuklearprogramm, nicht honoriert worden. Zum anderen hat auch unsere eigene Sicherheit während des Kalten Krieges angesichts der sehr realen sowjetischen Bedrohung während Jahrzehnten vom amerikanischen und sogar ein bisschen vom französischen Nuklearschirm profitiert. Gerade die Kreise, die ja sonst immer der «europäischen Solidarität» das Wort reden, sollten sich einmal überlegen, wie es unsere Nachbarn aus Nato und EU wohl aufnehmen würden, wenn auch wir mit den Wölfen (oder eher mit den harmlosen Strassenkläffern) heulten. Das Atomwaffenverbot der Uno erinnert an eine Stadt, die von schwerbewaffneten Verbrechern terrorisiert wird, denen eine machtlose Polizei gegenübersteht. Da kommt ein Komitee, bestehend aus drei Linkspolitikern, einem Pfarrer, einer Sozialarbeiterin und einem pensionierten Diplomaten, und sagt: Wir haben die Lösung. Lasst uns alle Waffen verbieten!

Der Bundesrat hat also vernünftig gehandelt. Das hinderte aber National- und Ständerat nicht daran, ihn aufzufordern, dem Abkommen beizutreten. Die Parlamente rot-grün regierter Städte folgten. Unter der Führung der früheren SP-Bundesrätinnen Micheline Calmy-Rey und Ruth Dreifuss hat nun eine Gruppe von ehemaligen Diplomaten und anderen höheren Beamten der Landesregierung erneut nahegelegt, sich dem «Verbot» anzuschliessen. Die meisten der Unterzeichner sind unbekannt oder bekannt als treue Unterstützer jedes linken Aktivismus. Aufhorchen lassen jedoch die Namen dreier ehemaliger IKRK-Präsidenten, des früheren EU-Chefunterhändlers Michael Ambühl sowie des ehemaligen Botschafters in Amerika, Martin Dahinden. Letztere beiden kennt man als hartnäckige und mit beiden Füssen auf dem Boden stehende Vertreter schweizerischer Interessen.

Da kommt ein machtloses Komitee und sagt: Wir haben die Lösung. Lasst uns alle Waffen verbieten!Erstmals seit dreissig Jahren wird heute wieder mit Atomwaffen gedroht und mit ihrem Einsatz gerechnet – keineswegs nur seitens verrückter Diktatoren und Mullahs. Auch wenn die russischen Drohungen nicht umgesetzt werden: Die Tatsache, dass so überhaupt wieder gesprochen wird, macht die Situation brandgefährlich. Da gilt es für uns Schweizer, einen kühlen Kopf zu bewahren, eine vernünftige Lagebeurteilung vorzunehmen und mit dem verantwortungslosen Raubbau an Armee und Zivilschutz endlich Schluss zu machen. Was wir zuletzt brauchen, sind nutzlose Papiertiger wie ein Atomwaffen-Verbotsvertrag, bei dem sich gute Menschen gegenseitig auf die Schultern klopfen. Der Bundesrat muss standhaft bleiben.

David Vogelsanger ist promovierter Historiker und ehemaliger Schweizer Botschafter in Neuseeland.