Dass Alt Bundesrat Kaspar Villiger freimütig über die angeblich verletzlichsten Ziele in der Schweiz im Falle eines militärischen Angriffs von Putins Russland plauderte, hat flächendeckend Verwunderung und Befremden ausgelöst. In der «Allianz Sicherheit Schweiz» – präsidiert von seinem Parteikollegen Thierry Burkart – nannte der Freisinnige zwei Hauptziele eines «physischen Infrastrukturangriffs», nämlich die europäisch bedeutende Stromdrehscheibe Laufenburg und das Rechenzentrum des global tätigen Finanzdienstleisters Swift in Diessenhofen.

Wenn der russische Präsident Wladimir Putin bislang die zwei lohnendsten Angriffsziele auf schweizerischem Territorium noch nicht gekannt haben sollte, kennt er sie immerhin nach den öffentlichen Ausführungen von Kaspar Villiger.

Noch erschreckender als dieser Geheimnisverrat ist die oberflächliche Lageanalyse des einstigen Spitzenpolitikers. Die mit Abstand grösste Gefahr für die Schweiz geht momentan von der Absicht aus, die hierzulande eingefrorenen russischen Staatsgelder von 7,4 Milliarden Franken zu enteignen und allenfalls der Ukraine-Hilfe zugutekommen zu lassen.

Noch verweigert sich das Wirtschaftsdepartement von Guy Parmelin (SVP) diesem brandgefährlichen Unterfangen. Und wenn im Gesamtbundesrat noch einigermassen alle Tassen am dafür vorgesehenen Ort stehen, stützt die Landesregierung diese Haltung.

Denn eine Enteignung der Milliarden würde Russland nie und nimmer reaktionslos hinnehmen. Die Schweiz müsste damit rechnen, Ziel von effizienten Cyber-Angriffen zu werden. Die gefährlichsten Möglichkeiten sollen aus Landesinteresse hier ungenannt bleiben. Wer aber glaubt, Russland wäre zu entsprechenden Gegenmassnahmen technologisch nicht in der Lage, dürfte auf ziemlich morschen Holzwegen unterwegs sein.

Reichlich obskur mutet auch Kaspar Villigers Beurteilung an, gerade die Neutralität könne die Schweiz zu einem Angriffsziel Russlands machen. In Wahrheit ist gerade die Preisgabe der Neutralität gegenüber einer Atommacht besorgniserregend. Wenn Villiger meint, unser Land könne rasch unter den Schutzschirm der Nato huschen, verkennt er, dass unsere Armee über keinerlei Bewaffnung und Ausrüstung mehr verfügt, welche die Schweiz zu einem attraktiven Nato-Partner machen würde.

Die Schweizer Soldaten könnten nach den radikalen Abbauschritten, dessen erster «Armee 95» hiess und von Kaspar Villiger verantwortet wurde, nur noch wie Tells Sohn Walter bei Friedrich Schiller singen: «Mit dem Pfeil, dem Bogen durch Gebirg’ und Tal, kommt der Schütz gezogen, früh am Morgenstrahl.»