Selenskyj hat sich sein Leben sicher anders vorgestellt. Vermutlich träumte der junge Wolodymyr davon, nach seinem Jura-Studium (Junge, lerne was Anständiges!) als Komiker Karriere zu machen. Doch statt sich über die politischen Verhältnisse seines Landes lustig zu machen, beschloss er irgendwann, diese zu ändern. Dann kam der Krieg.

In seinen «Sternstunden der Menschheit» unterscheidet Stefan Zweig zwischen Menschen, die es verstehen, den Mantel der Geschichte zu ergreifen und solchen, die das nicht tun. Selenskyj gehört eindeutig zu Ersteren. Seine Fähigkeit, als charismatische Medienfigur zu wirken, kam ihm dabei zu Hilfe. Ohne Selenskyj, das kann man sicher sagen, gäbe es die Ukraine in ihrer derzeitigen Form nicht mehr.

Aus dem Hollywood-Kino kennen wir die Figur des traurigen Clowns, der tapfer gegen die Widrigkeiten der Welt kämpft. Buster Keaton hat ihn verkörpert, Charlie Chaplin und Harold Lloyd. Der traurige Clown gerät zumeist unverschuldet in eine gefährliche Situation, der er nicht gewachsen scheint, die ihn aber über sich hinauswachsen lässt.

In «Buster Keaton bekämpft die blutige Hand» kann man etwa verfolgen, wie der Komiker es mit einer hinterhältigen und brutalen Verbrecherbande aufnimmt. Im Finale des Films schaltet Buster in den für ihn so typischen akrobatische Szenen nach und nach die Gangster aus.

Wie sollten uns Wolodymyr Selenskyj als eine Art Buster Keaton der Weltgeschichte vorstellen. Hineingestellt in eine geradezu surreale absurde Situation hat Selenskyj beschlossen, in eine Rolle zu schlüpfen, von der er sicher nie geträumt hat. Im Kino schliesst der traurige Clown am Ende stets seine Herzensdame in die Arme, und alles ist gut. Das Dilemma für Selenskyj besteht darin, dass er weiss, dass in der Realität die Dinge etwas schwieriger sind.

Selenskyj hat den Krieg zu seiner persönlichen Sache gemacht. Das war klug. Zugleich hat er damit sein Schicksal mit dem Ausgang des Krieges verknüpft. Doch anders als im Film ist in der Realität nicht immer klar, was eigentlich ein Happy End wäre. Zudem ist Selenskyj der Held eines Films, an dessen Drehbuch viel zu viele Autoren mitschreiben. Welches Finale sie für ihn vorgesehen haben, ob Held, Versager oder gar Schlimmeres, ist unklar. Hierin liegt seine eigentliche Tragik.