Seit Anfang der Woche haben mehr als 6000 Migranten Lampedusa erreicht. Das sind mehr Menschen, als die italienische Insel Einwohner hat. Videos im Netz dokumentieren das Ausmass.

Was dabei auffällt: Die deutsche Medienberichterstattung fiel zunächst spärlich aus. Gestern titelte die «Tagesschau»-Seite dann: «Flucht über das Mittelmeer – Lampedusa am Limit».

Nun lässt sich sicherlich darüber streiten, ob das Wort «Flucht» im Jahr 2023 immer noch ein angemessener Terminus dafür ist, die Migrationsbewegungen über das Mittelmeer zu beschreiben. Worüber sich jedoch angesichts der Bewegtbilder nicht streiten lässt, ist die geschlechtliche Zusammensetzung der Migranten vor Ort. Frauen sucht man auf den Aufnahmen jedenfalls vergebens. Dennoch entblödet sich die «Tagesschau» nicht, solche Sätze zu schreiben: «Allein im Laufe eines Tages sind 5000 Männer, Frauen und Kinder auf der kleinen Mittelmeerinsel angekommen.»

So lässt sich das ramponierte Vertrauen vieler Deutscher in die Medien kaum wiederherstellen. Wer die Bilder der letzten Tage neben solche Artikel legt, kann gar nicht anders, als sich verschaukelt zu fühlen. Es scheint, als hätte man in der deutschen Presse auch acht Jahre nach der ersten grossen Flüchtlingskrise nichts gelernt. Noch immer soll das Narrativ der «geflüchteten» Familien aufrechterhalten werden.

Da kann man nur froh sein, dass man sich im Zeitalter der weltweiten Vernetzung nicht mehr auf die Informationen einzelner Medien verlassen muss. Vielleicht ist man in Deutschland auch deshalb so bestrebt darum, Videos, die die Ankunft von Migranten in Lampedusa dokumentieren, in den sozialen Netzwerken zu zensieren.

Einige dieser Videos des Accounts «Radio Genoa» sind auf Twitter bereits verschwunden. Natürlich nur in Deutschland, «Based on local Laws», wie es so schön heisst. Gegen welche deutschen Gesetze das gezeigte Videomaterial verstösst, bleibt allerdings ungewiss.