«Das ist ja eine Geste der Schwäche gegenüber Putin, die ganz krass ist. Das ist ja direkt eine Einladung an Putin, weitere Länder anzugreifen, nach dem Motto: Wir können eh nix tun, wir sind eh schwach.» Mit diesen Worten trat der Grünen-Politiker Anton Hofreiter im «Heute-Journal» an die Öffentlichkeit.

Hofreiter bezog sich dabei auf Bundeskanzler Olaf Scholz, der zuvor den Lieferungen von Taurus-Raketen an die Ukraine eine Absage erteilt hatte. Die Aussagen Hofreiters zeigen wie unter einem Brennglas, welche verzerrte Wahrnehmung die Russland-Politik der Grünen, aber auch weite Teile der deutschen Politik bestimmt.

Der Glaube scheint vorzuherrschen, die Frage von Friede und Krieg könne bei einem Tauziehen gewonnen werden. Hofreiter geht davon aus, dass er und seine Mitstreiter, am langen Ende des Taus stehend, Putin und letztlich die Atommacht Russland besiegen können.

Gab es im Hinblick auf den Umgang mit Russland in der Geschichte der Bundesrepublik jemals einen dümmeren Politikansatz?

Die gesamten, aus russischer Sicht gut begründbaren Sicherheitsinteressen des Landes kommen in Hofreiters Aussagen nicht vor. Wer ihm zuhört, könnte glauben, der Krieg in der Ukraine mit mehreren Hunderttausend toten, verstümmelten und traumatisierten Soldaten auf beiden Seiten würde einzig und alleine deshalb geführt, weil im Kreml ein Mann mit grossem Ego sitzt.

In der Logik Hofreiters wird das stärkere Ego das schwächere besiegen, und der Krieg, der längst als Vorstufe zum dritten Weltkrieg verstanden werden kann, wäre beendet.

Bereits an dieser frühen Stelle des Interviews mit Hofreiter hätte die ZDF-Moderatorin Mariette Slomka einhaken müssen. Doch der politische Ponyhof trifft auf den journalistischen Sandkasten. Fundierte Kritik? Fehlanzeige.

Wie weitreichend die «Taurus-Frage» ist, scheint immerhin Kanzler Scholz verstanden zu haben. Er sagte: «Wir dürfen an keiner Stelle und an keinem Ort mit den Zielen, die dieses System erreicht, verknüpft sein.» Und: «Diese Klarheit ist auch erforderlich. Ich wundere mich, dass es einige gar nicht bewegt, dass sie nicht einmal darüber nachdenken, ob es gewissermassen zu einer Kriegsbeteiligung kommen kann durch das, was wir tun.»

Sinntragendes Wort: Kriegsbeteiligung. Hofreiter hat das nicht verstanden.

Marcus Klöckner ist Journalist und Autor. Demnächst erscheint von ihm: «Kriegstüchtig! Mobilmachung an der Heimatfront».