Karsamstag: An diesem Tag werden in Polen stets die traditionellen Osterspeisen gesegnet. Im Halbstundentakt kommen und gehen die Gläubigen. Die Kirchen sind dabei immer gut gefüllt, aber dieses Jahr platzten sie aus allen Nähten. In den Beichtstühlen herrschte reger Verkehr, Schlangen mit bis zu hundert Menschen waren die Regel. Viele Pfarreien sperrten die Kirchen deswegen sogar nachts auf, um dem Andrang nachzukommen.
Polen ist ein katholisches Land. 95 Prozent der Bewohner geben an, römisch-katholisch zu sein, ungefähr 40 Prozent der Polen gehen jeden Sonntag in die Kirche, und in dem Land, in dem mehr als 38,5 Millionen Menschen leben, gibt es nur einige Hundert Kirchenaustritte pro Jahr. Aber der Ukraine-Krieg hat auch in diesem Bereich einiges verändert. Vor allem in den Städten und unter jungen Menschen erlebt der praktisch gelebte Katholizismus derzeit ein neues Hoch. Trotz schlechten Wetters nahmen am Sonntag der Göttlichen Barmherzigkeit (so wird der Sonntag nach Ostern genannt), Zehntausende an den Feierlichkeiten in Krakau teil – mehrheitlich junge Menschen und Familien.
Denn es herrscht Unsicherheit unter den Menschen. Das Kriegsgeschehen spielt sich nur einige Kilometer von der polnisch-ukrainischen Grenze entfernt ab. Es gibt ein polnisches Sprichwort, das lautet «Jak trwoga to do Boga», was man mit «Not lehrt beten» übersetzen kann. In einem Land, in dem der katholische Glaube so tief verwurzelt ist wie nirgendwo sonst in Europa, ist der Weg zum Gebet und in die Kirche in Zeiten der Krise daher ganz selbstverständlich.
Darüber hinaus nimmt das Vertrauen in die Priester zu. Neben dem polnischen Staat ist es nämlich vor allem die katholische Kirche, die den ukrainischen Flüchtlingen und den polnischen Familien, die sie aufnehmen, am meisten helfen. Gleichzeitig ist die Enttäuschung gegenüber der EU riesengross. Zwei Monate nach Kriegsbeginn wurde von Brüssel immer noch kein Cent nach Warschau überwiesen, obwohl Polen bereits mehr als zwei Millionen Flüchtlinge aufgenommen hat. Der Unmut wächst. Niemand kann den Polen plausibel erklären, dass die EU im Jahr 2016 der Türkei sechs Milliarden Euro zusprach, um die Flüchtlingskrise zu bewältigen, aber heute das EU-Land Polen im Stich lässt.
Was man offensichtlich in der EU nie so ganz verstehen will, ist, dass die Polen beim Pokern immer auf Win-Win spielen. Und sie sind verdammt gut darin. Polen ist seit Jahren der größte Nettoempfänger von EU-Geldern, sie ziehen ihr eigenes politisches Spiel durch, wenden sich gegen idiotologischen Wokismus, sträuben sich gegen Flüchtlingsquoten, stehen fest mit einem gesunden Konservatismus gegen die EU-Sozialisten und bauen sich eine stabile und dynamische Ökonomie auf. Gratulacje !
Ein wirklich billiger Vergleich - einen EU-Staat mit einem Nicht-EU-Staat zu vergleichen! Polen ist seit seinem EU-Beitritt einer der größten Nutznießer der EU. Die ukrainischen Flüchtlinge müssen ja nicht in Polen bleiben. Und die Türkei ist ja wohl offensichtlich der Bitte der EU nachgekommen, den damaligen Flüchtlingsstrom in die EU einzuschränken.