Die stockende Gegenoffensive der Ukraine zwingt das Land, sich Gedanken über Alternativen zu machen. Dasselbe gilt für den Westen, der die Ukraine im Krieg gegen Russland unterstützt. Das schreibt NZZ-Chefredaktor Eric Gujer in einem Leitartikel.

Er stellt die Durchhaltefähigkeit der ukrainischen Streitkräfte in Frage. Russland habe den längeren Atem. Bisher hätten sich die Hoffnungen, mit mehr Waffen und Munition die Wende zu erreichen, jeweils zerschlagen.

Gujer nennt es einen «Zermürbungskrieg» und fordert eine «ehrliche Bestandesaufnahme» durch die Ukraine und den Westen. Dieser sei bei der militärischen Unterstützung einzelner Länder selten über längere Zeit standfest geblieben, wie frühere Beispiele zeigen, etwa Irak, Afghanistan und Libyen.

Mit Wunschdenken gewinne man keine Kriege, so die NZZ. Die Nato habe andere Interessen als die Ukraine. Deren Beitritt zum Bündnis sei erst ein Thema, wenn Frieden herrsche.

Die Nato müsse sich deshalb bereits jetzt Gedanken über das «Endspiel» machen. Die Belastungsprobe komme erst, «wenn sich beide Seiten verausgabt haben».

Ein Friedensvertrag mache nur Sinn, wenn die Ukraine eine Chance auf einen Beitritt zur Nato habe. Diese habe bisher «in dem Konflikt das meiste richtig gemacht». Entscheidend sei, dass sie am Ende keine falsche Entscheidung treffe.