Der Rücktritt von VBS-Chefin Viola Amherd hat die Mitte-Partei aus den Fugen gebracht. Zuletzt ist ein potenzieller Bundesratskandidat nach dem anderen abgesprungen. Nun gilt es ernst für die Findungskommission, die der scheidende Mitte-Präsident Gerhard Pfister präsidiert, der ebenfalls überraschend auf eine Kandidatur verzichtet.

Mögliche Kandidaten können sich bis zum 3. Februar melden, bis dann läuft die Bewerbungsfrist. Die Drähte laufen längst heiss. Und der Druck, der auf mögliche Spitzenkandidaten ausgeübt wird, könnte grösser nicht sein. «Er ist sehr spürbar», so ein Parlamentarier aus der Partei.

Erfahren musste das unlängst auch der ehemalige Bundeskanzler Walter Thurnherr. Er hat am Donnerstag ebenso wie Markus Dieth bekanntgegeben hat, auf eine Kandidatur zu verzichten.

Für eine solche ist der Ex-Bundeskanzler anscheinend von der Partei angefragt worden, wie die Weltwoche aus dem Umfeld von Thurnherr in Erfahrung bringen konnte. Thurnherr selbst sei darüber wiederum selbst etwas verblüfft gewesen.

Zweifellos ist der Mitte-Mann, der 2015 mit rekordverdächtigen 230 Stimmen zum Bundeskanzler gewählt worden war und als äusserst kompetent gilt, beliebt in Bern.

Doch der Ex-Bundeskanzler, der in den 1990er Jahren als persönlicher Mitarbeiter von Bundesrat Flavio Cotti arbeitete, ist inzwischen 61 Jahre alt. Und seit 2023 ist er nicht mehr in der Hauptstadt tätig.

An der ETH Zürich kommt ihm seit wenigen Monaten beim Aufbau der School of Public Policy eine wichtige Rolle zu. Just zu diesem Zeitpunkt liebäugelte man nun in der Partei damit, den Aargauer als Bundesrat in Stellung zu bringen. Die Verzweiflung in der Partei muss offenbar gross sein.

Hat die Mitte-Partei, in der Christophe Darbellay und Bauernpräsident Markus Ritter derzeit als Bundesratsfavoriten gehandelt werden, zu wenige aktive Politiker, die für das Amt in Frage kommen?

Für Thurnherr ist das Ganze kein Novum. Er ist auch schon 2018 für die Landesregierung ins Spiel gebracht worden. Ausgerechnet die SVP motivierte den Aargauer damals, sich für den Bundesrat aufstellen zu lassen. Thurnherr galt stets als Vertrauter von Doris Leuthard und trug als einstiger Generalsekretär der CVP-Bundesrätin auch ihre Energiepolitik mit. Nachdem ihr Sitz 2018 frei geworden war, setzte sich die SVP für den Mitte-Mann ins Zeug.

Adrian Amstutz, 2018 noch Nationalrat der Volkspartei, versuchte den damaligen Bundeskanzler davon zu überzeugen, für das Amt zu kandidieren. Wollte die SVP damit Viola Amherd und somit noch Schlimmeres verhindern? Oder erhoffte sich die Volkspartei, endlich einmal den wichtigen Kanzlerposten zu erobern?

Nach wie vor sind die Gründe unklar. «Thurnherr wäre der beste CVP-Mann für den Bundesrat gewesen», sagt Amstutz der Weltwoche. Der SVP-Politiker hatte stets ein gutes Verhältnis zum ehemaligen Bundeskanzler. Doch Thurnherr sagte ab. Medien fragten sich später, ob er seine Nichtkandidatur möglicherweise bereue. Schliesslich hätte der Aargauer gute Chancen gehabt, gewählt zu werden.

Ob das noch immer der Fall wäre? Adrian Amstutz ist mit Blick auf Thurnherr überzeugt: «Er wäre nach wie vor ein sehr guter Bundesrat.»