Der Bürgermeister von Tübingen, Boris Palmer, hat am Mittwoch den Radverkehr in seiner Stadt ertüchtigt. Im Beisein von rund 700 Schaulustigen weihte er, nur ein halbes Jahr verspätet, eine Fahrradbrücke ein. Auf den dazu verbreiteten Bildern radelt Palmer jubelnd durch flamingofarbene Rauchwolken. Ein knalliger Effekt.

Sechzehn Millionen Euro haben die 365 Meter gekostet. Bund und Land haben Mittel gegeben, die Stadt selbst viereinhalb Millionen Euro aus dem Säckel geholt.

Die Brücke ist mit einer besonderen Raffinesse ausgestattet: Im Winter kann sie auf 3 Grad beheizt werden, per Ökostrom, versteht sich. So berichtet es die Bild. Salz möchte man so einsparen, die Lebensdauer des Bauwerks verlängern. Hundert Jahre alt soll sie werden, um einiges älter also als die Dresdner Carolabrücke.

Nun hat Boris Palmer gerade erst darüber gejammert, dass die einst blühende Stadt Tübingen zu einem Sanierungsfall geworden ist. Vierzig Millionen Euro fehlten im Haushalt, klagte er bei «Lanz». Allenthalben drohten Einsparungen, beim Hallenbad, bei der Kultur, im Busfahrplan. Auch die Grundsteuer könne sich verdoppeln. Zur Begründung verwies Palmer vor allem auf die explodierenden Sozialkosten.

Tübingens Niedergang korrespondiert mit einem gewissen Liebesverlust der Grünen in der baden-württembergischen Bevölkerung. Lange wählten die Bürger im Ländle besonders lustvoll grün, seit einiger Zeit aber gehen die Umfragewerte zurück. Kürzlich erreichten sie mit 18 Prozent den tiefsten Stand seit 2010.

OB Palmer ist inzwischen parteilos. Einem drohenden Ausschlussverfahren kam er vor anderthalb Jahren durch Austritt bei den Grünen zuvor. Nun ist er ein in den Talkshows gern herumgereichtes Enfant terrible, einer, bei dessen rebellischen Einlassungen die Zuschauer sich wohlig gruseln dürfen.

In Wahrheit, die Brücke zeigt’s, agiert Boris Palmer immer noch innerhalb der Grenzen der grünen Politik.