In ihren klangvollsten Tagen hatten die Jungs von Guns N’ Roses, allen voran Axl Rose und Slash, während einer kleineren Tournee einen Tripper, während Welttourneen mehrere. Der Tripper kam natürlich vom unkontrollierten Vögeln der Groupies. Es lief immer gleich ab; After-Show-Party, Drinks, Drogen, Hotelzimmer, und am andern Morgen kam der Tour-Arzt, spritzte die Jungs transportfähig, und die Groupies durften gehen und sahen ein bisschen aus wie Zombies.

Welt des Weiblichen

Das war normaler Rockeralltag Ende der 1980er und während der 1990er Jahre, dieses Sex and Drugs and Rock ’n’ Roll, und es war der Traum von jenen Männern, die in klanglosen Städten und Vororten darbten, um die die heissen Bräute einen Bogen machten, und die versuchten, mit ihren Gitarren, Schlagzeugen oder Stimmen sich Gehör zu verschaffen in der Welt und im Weiblichen.

Sie gründeten eine Band, nannten sich Black Dudes oder The Living Massacre und hofften auf Hits und Girls und dope for free. Und in jedem Dorf gab es eine, mindestens, die ein Groupie sein wollte, die Grenzenlosigkeit suchte, die eine Trophäe sein wollte und verrucht und ein bisschen versaut, alles, nur nicht enden wie Muddi. Die Poster von den Musikern an den Wänden hatte, die leben wollte, was ihre Helden sangen, die träumte vom Tingeltangel als edle Rocknutte und die hoffte, ein Rockstar würde über ihr Fleisch ihre wahre Seele entdecken.

Es gab wahrscheinlich, wie man das heute nennt, einvernehmlichen Sex, leicht von den Rockern forcierte Geschichten, und es gab sicherlich auch Übergriffe, von beiden Seiten. Ein paar Groupies hatten mehr Talent als andere und dienten sich hoch, während die meisten irgendwann einen Polizisten oder IT-Spezialisten heirateten, dorthin zurückkehrten, von wo sie hergekommen sind, und mit ein wenig Prosecco intus am Weiberabend erzählten, dass sie mal oder dass sie fast einmal mit dem und dem gebumst hätten.

Beim Rammstein-Sänger Till Lindemann, auf den sich die Sittenwächter der Zeit wegen seiner angeblichen Groupie-Exzesse so fanatisch und hysterisch einschiessen wie einst Groupies in den alten Tagen auf ihre Helden, liegt der Fall etwas komplizierter als bei den Axls und Slashs dieser Welt. Lindemann ist ein höchst komplexes seelisches Konglomerat, grenzgängerisch, narzisstisch und grössenwahnsinnig und doch von empfindlicher Sensibilität.

Tills Problem ist offenbar, dass er gerne mit Frauen schläft, wenn die Frauen schlafen. Das ist ein bisschen nekrophil und ein wenig Sex mit Gummipuppe, ein seltener Fetisch, gewiss, gegen den es jedoch nichts einzuwenden gibt, wenn die Frau sagt, es ist okay, wenn du mich besteigst, während ich schlafe. Damit sie dann nicht aufwachen, soll Till, und das könnte ihn um seinen Schlaf bringen, ihnen etwas die Abwesenheit Festigendes verabreicht haben.

Irgendein Machtdefizit

Für ein Groupie ist das Höchststrafe und maximaler Frust, genau so wie die Forderung nach Schutzräumen und orwellschen Awareness-Teams, der Aufhebung der «Row Zero» am Bühnenrand, wo sich die Schäfchen treffen und wo ausgesucht wird, wer später zum Metzger darf. Was soll sie erzählen? Ich hab’ mit der Rammsteinsau gevögelt, war aber anästhesiert und weiss von nichts mehr? Ich hatte ein paar Hämatome, also echt, der muss mich ganz schön benutzt haben, ich mach’ die Sau jetzt fertig. Was heute ja ganz leicht geht.

Vor dreissig Jahren noch hätte man gesagt, der Till hat sexuell einen an der Waffel, irgendein Machtdefizit im Umgang mit Frauen, so dass er sie bewusstlos braucht, um sich selbst mächtig zu fühlen. Hätte gesagt, Rockerwelten sind keine Kindergärten und die Groupies, diese herrlichen Geschöpfe der Selbstaufgabe mit dem Ziel, sich den Höhepunkten anderer Sphären anzunähern, müssten das wissen.

Das Spiel mit dem Feuer war schon immer so; manche wärmt es, andere verbrennt es. Das ist die simple Essenz von Sex and Drugs and Rock ’n’ Roll; die einen überleben es, die andern gehen daran zugrunde, beide, die Rock ’n’ Roller und die Groupies.