Ex-US-Präsident Trumps Umfragewerte beim Rennen ums Präsidentenamt sind immer noch besser als jene von Präsident Joe Biden und den republikanischen Mitkonkurrenten. Die Wahlen vom 5. November 2024 liegen zwar noch rund sechzehn Monate entfernt, aber die parteiinterne Kandidatenkür, die primaries, beginnen bereits in fünf Monaten.

Bei den Demokraten wagen nur wenige, als Gegenkandidat zum amtierenden Präsidenten Joe Biden anzutreten. Als ernsthafter Mitbewerber gegen Joe Biden hat Umweltanwalt Robert F. Kennedy Jr., Sohn des ermordeten Robert F. Kennedy, seine Kandidatur angekündigt. Der Name Kennedy zieht zwar bei den Demokraten immer noch, aber der im Wahljahr Siebzigjährige ist als Impfgegner selbst im Kennedy-Clan umstritten. Er hält auch den Westen mit der Nato-Expansion nach Osteuropa für mitschuldig am Ukraine-Krieg.

Bei den Republikanern ist bisher noch niemand derart überzeugend in Erscheinung getreten, dass er die Umfragewerte von Donald Trump in den Schatten stellen würde. Selbst der italienischstämmige ehemalige Vertreter im Repräsentantenhaus und heutige Gouverneur von Florida Ron DeSantis (44) ist wegen Wahlkampfgeldern umstritten. Seine Umfragewerte sind seit Jahresbeginn von knapp über 30 Prozent auf aktuell 18,5 Prozent gefallen. Dennoch hat er inzwischen über 20 Millionen Dollar an Wahlspenden gesammelt.

Als «verletztes Tier» würde Donald Trump in einer zweiten Legislatur wohl noch radikaler und unberechenbarer agieren. Für den Westen problematisch würde eine Kehrtwende in der Verteidigungs- und Aussenpolitik, zum Beispiel bezüglich der Unterstützung der Ukraine. Trump hat die Weigerung der Regierung von Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj zur Aufdeckung des Hunter-Biden-Korruptionsfalles nicht vergessen. Wie im Falle von Afghanistan könnte Trump den Geldhahn abdrehen. Die Europäer wären nicht in der Lage, innert nützlicher Frist eine eigene Rüstungsindustrie aufzubauen. Ohne amerikanischen Support würde Europa existenziell geschwächt und Russland zu neuen Aggressionen ermutigt.

Ein Rückzug aus Europa erscheint realistisch, weil republikanische Hardliner eine Konzentration der Kräfte für den Kampf gegen China fordern und die Bedrohung Europas durch Russland als Problem der Europäer betrachten. Der von Biden weitergeführte Technologiekrieg mit Handelsrestriktionen im Hightech-Bereich und der Ausbau des Bündnisnetzes in Asien bestätigen diese Haltung der USA. Andererseits neigt Trump dazu, die Amerikaner aus internationalen Organisationen herauszulösen, denn die Amerikaner sind zwar seit Jahrzehnten die grossen Financiers, aber die anderen Länder fordern immer mehr Mitsprache, was der Maga-Philosophie («Make America Great Again») entgegensteht.

Donald Trump gilt als weit unberechenbarer als Joe Biden. Kommt dazu, dass die Trump-Administration Taiwan als unabhängiges Land betrachten würde. Trump deutete andererseits in einem Buch an, dass er nicht die Absicht hege, Taiwan zu verteidigen. China hat seinerseits immer erklärt, eine Unabhängigkeit Taiwans würde Krieg bedeuten. Distanziert sich Trump von Taiwan, würden die asiatischen Partner wie Japan, Südkorea oder Australien einen Rückschlag in ihrer Verteidigungsbereitschaft erleiden. Sie müssten sich überlegen, ob sie selbst Atomwaffen entwickeln oder sich eher China annähern sollen. Israel, Ungarn, Polen und Saudi-Arabien dürften von einer Rückkehr Trumps profitieren.

Noch stärker als in der Aussenpolitik dürfte Trump im Inland um sich schlagen. Er würde politische Ämter mit Hardlinern seiner Partei besetzen und gegen das FBI und die Gerichte, aber auch gegen Medien und Big Tech vorgehen, von denen er sich gedemütigt fühlt. Eine Kehrtwende bezüglich der Schuldenwirtschaft ist hingegen unwahrscheinlich, denn in seiner ersten Amtszeit hat er zwar von gesunden Staatsfinanzen gesprochen, aber dennoch in einem noch nie erlebten Ausmass neue Schulden getätigt. Er würde aber Bidens Mega-Projekte zum Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft, wo immer möglich, ausbremsen und im Gesundheitswesen und in der Pflege wieder den Rotstift ansetzen. Steuererhöhungen würde er rückgängig machen und auslaufende Steuererleichterungen verlängern. An der Südgrenze zu Mexiko würde der Kampf gegen die illegale Immigration wieder massiv verstärkt.