Nein, Frank-Walter Steinmeier ist vermutlich keine Werbung für das Amt des Bundespräsidenten. Wenn man ihn in einem Raum stellt, sieht er zwar durchaus repräsentativ aus. Die Brille signalisiert Belesenheit. Die weisse Haarpracht Weisheit. Es gab schon Bundespräsidenten, die weniger vorzeigbar waren.

Doch wenn Steinmeier eine Rede hält, überkommt einen fast zwangsläufig eine tiefe Müdigkeit, die sich aus dem träge dahinfliessenden Strom aus intellektuellen Plattitüden, sprachlichen Nichtigkeiten und gedanklicher Schlichtheit speist. Auch als Bundespräsident bleibt Steinmeier der ewige Büroleiter, dem Aktenberg näher als gedanklichen Höhenflügen.

Umso bemerkenswerte war sein Auftritt auf dem Leserkongress der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) in Frankfurt am vergangenen Freitag. Dort nämlich drückte er deutlich sein Missbehagen aus über die Art und Weise, wie in Deutschland Strack-Zimmermann, Kiesewetter, Hofreiter und Co. über Waffenlieferungen an die Ukraine diskutieren.

«Ja, muss man über alles diskutieren, und die Militärexperten, die Kaliber-Experten, tun das ja auch mit Ausgelassenheit und mit wachsendem Ehrgeiz», so Steinmeier. Nach zwei Jahren Krieg und «doch eindrucksvoller» Unterstützung Kiews durch Deutschland sei es zugleich «keine so schlechte Zwischenbilanz», dass die Bevölkerung immer noch mehrheitlich hinter der Ukraine-Politik von Scholz stehe.

Gut, so ganz konnte man sich nicht dem Eindruck entziehen, dass hier auch der SPD-Politiker Steinmeier spricht, was für einen Bundespräsidenten unangemessen wäre. Doch wo der Mann recht hat, da hat er recht. Denn tatsächlich sind die aufgeheizten Debatten der neuen «Kaliber-Experten» (meist ohne militärische Erfahrung) peinlich, dem Thema unangemessen und in der Sache schädlich.

Darauf hinzuweisen, ist für einen Bundespräsidenten eine Gratwanderung. Denn einerseits ist er zu parteipolitischer Neutralität verpflichtet. Andererseits ist er der Pflege des politischen Diskurses verpflichtet. Und der ist in den letzten Monaten gerade zur Frage der Waffenlieferungen häufig genug aus dem Ruder gelaufen.

Dieses eine Mal ist es Steinmeier gelungen, die Öffentlichkeit wachzurütteln. Dem Amt des Bundespräsidenten hat er damit mehr gedient als in den sieben bisherigen Jahren seiner Amtszeit.

Die teils empörten Reaktionen zeigen allerdings, dass ernsthafte Kritik des Bundespräsidenten an der Regierung nicht als demokratische Tugend gilt, sondern als Grenzüberschreitung.