Tag der Deutschen Einheit in Zeiten der Spaltung. Selten, nach meinem Gefühl niemals zuvor, waren die Gräben zwischen den Deutschen so tief wie derzeit. Viele im Westen beäugen die «Ossis» wegen ihres Wahlverhaltens wie einen Patienten mit aussichtslosem Krankheitsverlauf. Linke wittern in allem die Rückkehr eines braunen Reichs, das nicht «Vielfalt» ruft und Regenbogen-Fahnen schwenkt. Und natürlich – das ist eine verlässliche Konstante im deutschen Wesen – gibt es wie immer diejenigen, die den Reichen «da oben» ans Vermögen wollen, damit es denen «da unten» besser geht.
Spaltung, Unrecht, Unfreiheit dichten die Wütenden das Lied der Deutschen um und sehen düstere Zeiten heraufziehen. Ist denn gar keine Hoffnung in Sicht? Hoffnung ist eine Frage des Naturells. Chancen für mehr Einigkeit durch Recht und Freiheit gibt es allemal. Drei vorsichtige Vorschläge für Deutschland:
Reden! Und zwar miteinander reden. Schluss mit der Parole des Keine-Bühne-Bietens! Wir brauchen keinen «Pakt für gesellschaftlichen Zusammenhalt» und Führung von Kanzler Olaf Scholz (SPD), wie es Vertreter des linken Grünen-Flügels im neuen Spiegel fordern. Sinnlose Bünde und Foren der immergleichen «Guten», die sich gegenseitig ihr Gutsein bestätigen und die anderen ausschliessen, gibt es schon genug. Reden wir endlich mit denen, die wir vermeintlich nicht ertragen können. Es gibt keine gefährlicheren Meinungen als unterdrückte Meinungen!
Zuhören! Und zwar wirkliches, offenes Zuhören statt vorgefassten Bescheidwissens. Ein Paradebeispiel liefert der SPD-Aussenpolitiker Michael Roth im Spiegel: «Wir haben uns von der AfD und Sahra Wagenknecht in eine Falle locken lassen. Sie und ihre nationalistisch-populistische Bewegung haben den Friedensbegriff gekapert.» Wenn das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und die AfD über Frieden redeten, meinten sie, dass die Ukraine sich Russland unterwerfen solle, so Roth. Nein, möchte man ihm entgegenrufen: Ihr seid vor lauter Selbstgerechtigkeit und Unterstellung gar nicht auf die Idee gekommen, dass es auch der anderen Seite um Wege zum Frieden gehen könnte. Der «Frieden» wurde nicht «gekapert», sondern eine rechthaberische Seite wollte ihre Sicht des «Friedens durch Stärke und Wehrhaftigkeit» (Roth) schlichtweg nicht zur Debatte stellen. Zuhören! Reden!
Demut! Nicht Politik weist den Wählern ihre Rolle als nützliches Stimmvieh bei der politischen Selbstorganisation zu, sondern umgekehrt. Wer systematisch dafür sorgt, dass Rechts-Wählen zu linken Regierungen führt – siehe Frankreich, Österreich, Thüringen, Sachsen, Brandenburg –, der sorgt dafür, dass auch systematisch Zweifel am System aufkommen. Wer in Thüringen in Gestalt der CDU glaubt, die langjährige Regel, wonach der stärksten Partei der Parlamentspräsident zusteht, mit juristischer Trickserei aushebeln zu müssen, der darf nicht anschliessend die Spaltung der Gesellschaft beklagen. Zuhören! Reden! Demut vor dem Wählerwillen!
Also doch nicht alles so düster am Tag der Deutschen Einheit 2024? Es gibt Wege aus der Spaltung. Gibt es auch Hoffnung, dass sie beschritten werden? Eher nicht. Ist Licht am Ende des Tunnels? Ja. Der Zug ist abgefahren.
Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen. Sein neues Buch «Der Siegeszug der Populisten. Warum die etablierten Parteien die Bürger verloren haben. Analyse eines Demokratieversagens» erscheint im Herbst und kann schon jetzt vorbestellt werden.
Gerade d.Ostdeutschen,die ab ihrer Jugendzeit bis ins Erwachsenenalter hinein,den Unrechtsstaat DDR "erleben durften"&keine Systemlinge waren,sind hellwach,wenn neue Diktaturen/Gängeleien/ Bevormundungen Einzug halten od.wollen.Das scheint Historiker Kowalczuk nicht zu wissen.Die Niederlage von Z.&Co in der Ost-UA ist seit 02/2022 eine Tatsache,wie selbst MSM geframt zugeben (müssen).03.10.2024"deutschlandfunk.de":"Deutsche Einheit/Historiker fordert mehr Verantwortungsübernahme d.Ost Deutschen"
Ich sehe das anders: Die Menschen in den "alten" Bundesländern halten den Raum, in dem sich die Menschen aus den "neuen" Bundesländern artikulieren können. Die Anti-AfD Propaganda weckt natürlich bei nicht wenigen Menschen Ängste und lenkt bisweilen vom Extremismus der eigenen Regierung ab. Dennoch eint uns mal das eher diffuse Unbehagen, mal das sehr deutliche und ausgesprochene Gefühl, dass hier etwas falsch ist. Nicht in der Beziehung zwischen Ost und West, sondern zwischen oben und unten!
Ich sehe das anders: Die Menschen in den alten Bundesländern halten den Raum, in dem sich die Menschen in den neuen Bundesländern artikulieren können... in Wahrheit sind wir nicht verfeindet... nur auf der Oberfläche wird versucht uns zu spalten, aber uns eint das mal eher leise und diffuse Unbehagen mal sehr deutliche Gefühl, dass hier etwas falsch ist, nicht in der Beziehung zwischen West und Ost, snndern zwischen oben und unten.