Während sich die republikanische Konkurrenz in Milwaukee, Wisconsin, bei der ersten TV-Debatte der Präsidentschaftsaspiranten duellierte, schwänzte Trump. Stattdessen liess er sich von Tucker Carlson interviewen.

Carlson eröffnete mit jener Frage, die am meisten interessierte: «Warum sind sie nicht in Milwaukee?»

Trumps Antwort: «Ich führe mit fünfzig und sechzig Punkten. Und, wissen Sie, einige von ihnen sind bei eins und null und zwei.»

So gross ist Trumps Vorsprung in Umfragen auf seine Konkurrenz, dass er es nicht für nötig hält, sich mit ihr abzumühen: «Warum sollte ich […] dasitzen und mich von Leuten belästigen lassen, die nicht einmal für das Amt des Präsidenten kandidieren sollten?»

Solche Aussagen zeugen von Hochmut und einem eigenartigen Verständnis von Demokratie. Aber taktisch war Trumps Auftritt bei Carlson ein geschickter Zug.

Trump liess acht «Zwerge» gegeneinander antreten und machte solo eine Gala beim beliebtesten Talk-Show-Host der USA. Die Zuschauerzahlen gaben ihm recht: Bereits in den ersten Stunden nach Ausstrahlung schalteten sich über 150 Millionen bei Carlsons X-Account zu – mehr als Zehnfache der 12,8 Millionen Zuschauer, welche die Republikaner-Debatte bei Fox News verfolgten.

Das Publikum erwartete Punch-Lines. Und Trump lieferte.

Erwartungsgemäss attackierte er Präsident Joe Biden frontal. Er, Trump, habe noch nie so viel Unterstützung erlebt wie jetzt. «Der Grund dafür ist, dass der korrupte Joe Biden so schlecht ist. Er ist der schlechteste Präsident in der Geschichte unseres Landes.»

In seiner minutenlangen Breitseite machte er sich zuerst über Bidens geistige und körperliche Verfassung lustig: «Er ist nicht gerade ein Triathlet oder eine Art von Athlet. Sieh ihn dir an, er kann nicht zum Hubschrauber laufen. Er kann seine Füsse nicht aus dem Gras heben.»

Und am Strand (jüngste Aufnahmen zeigten Biden in den Ferien am Meer) sehe er «furchtbar» aus. Trump punktete beim Publikum, als er sagte: «Ausserdem repräsentiert der Strand nicht das, was der Präsident eigentlich tun sollte. Er sollte arbeiten.»

Was der US-Präsident unbedingt zuerst tun sollte, stellte Trump sofort klar: «Man sollte uns aus diesem schrecklichen, schrecklichen Krieg herausholen, in den wir mit Russland und der Ukraine verwickelt sind.»

Einmal mehr verkündete Trump: «Wenn ich Präsident wäre, hätte der (Krieg) nie angefangen.» Biden sei jedoch nicht in der Lage, das Blutvergiessen zu stoppen: «Ich glaube nicht, dass er fähig ist, irgendetwas zu tun.»

Die interessantesten Aussagen zur Aussenpolitik waren Trumps Kommentare zur globalen Rolle Chinas: Biden erlaube China, sich in Amerikas Hemisphäre auszubreiten, «überall in Südamerika», so Trump.

Man könne nicht zulassen, dass China den Panamakanal kontrolliere und auf Kuba sitze. «Wenn ich Präsident bin, werden sie abziehen, denn ich hatte eine sehr gute Beziehung zu Präsident Xi. Er hat dieses Land respektiert. Er hat mich respektiert.»

Wer vor dem 45-minütigen Gespräch auf deftiges Trump-o-Tainment, Zoten und bissige Seitenhiebe gegen seine Widersacher hoffte, kam auf seine Kosten. Wer indessen Substanz oder politische Inhalte erwartete, blieb enttäuscht.

Über weite Strecken blieb Trump in der Vergangenheit kleben und klang weinerlich.

Einmal mehr behauptete Trump über seine Niederlage gegen Biden 2020: «Die Wahl war gefälscht. Es war eine manipulierte Wahl.» Dies, obwohl alle Nachprüfungen den Sieg Bidens bestätigten. Und dies, obwohl es Trump nie gelungen ist, Beweise für wahlentscheidenden Betrug vorzulegen.

Schuld daran seien Behörden, die der Sache nicht auf den Grund gehen wollten: «Wir hatten Richter, die nicht hinsehen wollten. Wir hatten Leute, die sich nicht einmischen wollten. Sie haben gesagt, man nenne sie Verschwörungstheoretiker, wenn sie etwas über die Wahl sagen.»

Trump äusserte die Überzeugung, dass seine Gegner auch in der nächsten Wahl wieder betrügen werden. «Sie werden es versuchen. Ja.» Was er und die Republikaner unternehmen wollen, um sicherzustellen, dass Wahlen fair und manipulationsfrei verlaufen können, blieb er dem Publikum schuldig.

Aufhorchen liess Trumps Antwort auf Tuckers Frage nach einem möglichen Attentat auf ihn. «Haben Sie Angst, dass die versuchen werden, Sie zu töten?» Trump antwortete: «Das sind wilde Tiere. Das sind Leute, die krank sind, wirklich krank.» Aber: «Die meisten Menschen in unserem Land sind fantastisch. Und ich vertrete alle.»

Nebst gestiegener Unterstützung für seine Person registriere er eine tiefe Polarisierung der Gesellschaft. Auf Carlsons Frage, «Halten Sie es also für möglich, dass es einen offenen Konflikt gibt?», sagte Trump: «Ich weiss es nicht […]. Aber es gibt ein Mass an Leidenschaft, das ich noch nie gesehen habe. Es gibt ein Ausmass an Hass, das ich noch nie gesehen habe, und das ist wahrscheinlich eine schlechte Kombination.»

Als ihn Carlson ganz zum Schluss nach seinen politischen Prioritäten fragte, sollte er wieder zum Präsidenten gewählt werden, nannte Trump bloss ein Thema: Die Südgrenze sichern und Kriminelle ausweisen: «Die Hunderttausenden von Kriminellen, die in unser Land gelassen wurden, wir müssen sie herauszuholen und sie in ihr Land zurückzubringen.»

Damit klang Trump wie 2016, als er mit dem Slogan «Build that Wall» die Wahl gewann. Wie damals ventilierte er Behauptungen: «Sie (Immigranten) kommen aus psychiatrischen Anstalten und aus Gefängnissen zu uns. Sie leeren ihre Gefängnisse in ganz Südamerika.»

Wie oft nahm es Trump im Interview mit Zahlen und Fakten nicht allzu genau oder bog sie zu seinen Gunsten, was Fakten-Checker sofort monierten.

Während Trump bei Tucker Carlson Hof hielt, lieferte sich seine innerparteiliche Konkurrenz in Milwaukee einen engagierten Schlagabtausch. Dabei hatte ein Kontrahent gemäss Umfrage einen Lauf: Ron DeSantis. Just der Mann also, den Trump längst für tot erklärt hat.

Für all jene, die sich selbst ein Bild über Trumps Aussagen bei Carlson machen möchten, hat die Weltwoche ein Transkript des Gesprächs auf Deutsch veröffentlicht.